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0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter

0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter

Titel: 0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter
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wankte zum Stuhl, auf den er sich fallen ließ. Mit einem dünnen Batisttuch wischte sich der Promoter den Schweiß von der Stirn.
    »Wer war die Frau?« fragte ich.
    »Alice, Alice Paine. Sie ist… sie war mit Brecket sehr gut bekannt«, antwortete Wilston.
    »Dann muß das ein harter Schlag für sie gewesen sein«, sagte ich nachdenklich.
    »Ja, Alice hing an dem Jungen. Sie verstehen, Miß Paine ist mindestens zwanzig Jahre älter als er«, fuhr Wilston fort, »aber sie hat ihn ins Geschäft gebracht. Als sie ihn kennenlernte, war Brecket ein kleiner Lastwagenfahrer.«
    »Ist das nicht ein bißchen ungewöhnlich, wenn sich eine fünfundvierzigjährige Frau für einen jungen Burschen interessiert?« fragte ich.
    »Ungewöhnlich schon«, gab Wilston zu, »aber Alice fühlt sich auch heute noch iung.«
    Ich trat an den Massagetisch, bückte mich und hob den Hut auf. Er bestand aus dem gleichen Material wie mein Panamahut, war allerdings im Gegensatz zu meinem Stück in einem Laden gekauft, in dem nur Millionäre verkehren.
    »Ja, den Eindruck habe ich allerdings auch, daß sie sich noch jugendlich fühlt«, bemerkte ich.
    »Brecket war ein unbedarfter Boy, als sie ihn kennenlernte«, fuhr Wilston fort, als wäre er gezwungen, mir den kompletten Lebenslauf der beiden zu liefern, »sie hat aus ihm einen Playboy gemacht, sein Boxtalent entdeckt und ihn in wenigen Jahren bis in die Spitzenklasse gebracht. Er boxte nur für sie. Alice saß an jedem Ring, wenn Brecket auf dem Programm stand. Sie schien ihn mit ihren großen Augen zu hypnotisieren. Es ist sogar schon so weit gekommen, daß die Promoter zur Bedingung machten, daß Alice mitkam. Der Junge hat in kurzer Zeit ein Vermögen gemacht.«
    »Hatte er irgendwelche Feinde?« Ich stellte diese Routinefrage, um das Gespräch nicht ins Stocken zu bringen. In Wirklichkeit verfolgten meine Gedanken eine ganz andere Spur.
    »Jeder Boxer hat Anhänger und auch erbitterte Gegner«, sagte Wilston, »aber Brecket war beliebt, ganz einfach allgemein beliebt. Der Bursche hatte Aussicht auf den Titel, ohne Frage.«
    »Um so tragischer, daß der Mörder diesem Kampf ein frühzeitiges Ende setzte«, fügte ich hinzu.
    »Es hieß, daß Brecket sich schon mehrere Male von Miß Paine lösen wollte«, sagte Wilston leise, als könnte es jemand außer uns hören.
    »Das sind allerdings nur Vermutungen gewesen«, mischte sich Gienboom mit seiner Fistelstimme ein. »Lion hat nie daran gedacht, mit ihr zu brechen. Das weiß ich genau.«
    »Ich habe auch nur von Gerüchten gesprochen«, sage der Promoter, »schließlich war Lion ihr Dank schuldig.«
    »Er hat Miß Paine geliebt«, sagte der kleine Trainer hitzig. »Es war nicht nur Dankbarkeit, die Lion veranlaßte, sich nicht von Alice zu trennen.«
    Ich bedankte mich für die Auskunft. »Sie, Mr. Gienboom, halten sich an unsere Abmachungen und schweigen über den Mord«, wandte ich mich an den Trainer, »und Sie ebenfalls, Mr. Wilston. Darf ich Sie bitten, in das Büro hinüberzugehen und der Lady und dem Doc einige Minuten Gesellschaft zu leisten? Ich warte hier, bis die Mordkommission zurückkommt.«
    Sie verließen schweigend den Raum.
    Ich sah mich in der Kabine um, die ziemlich luxuriös ausgestattet war. Auf dem Boden lag ein blaßrosa Teppich. Die Wände waren mit Sportfotos beklebt. Das Mobiliar bestand aus Teakholz. An die Kabine grenzte ein Duschraum.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit dem Toilettentisch zu, der an den Schminktisch einer Filmdiva erinnerte. Rechts stand ein Aschenbecker aus schwerem, handgeschliffenem Bleikristall. Darin lag ein Zettel, der zusammengeknüllt war.
    Für diese Zwecke trug ich stets eine kleine Pinzette in der Tasche. Ich angelte mir den Zettel heraus und glättete ihn. Es dauerte keine dreißig Sekunden bis ich die Handschrift entziffern konnte:
    »Hallo, Ben, gib acht! Ich weiß genau, daß sie Dich umbringen wollen. Steig heute nicht in den Ring.«
    Der Brief trug keine Unterschrift.
    ***
    Nach zehn Minuten kam Flobert mit seinen Leuten aus dem Sportzentrüm zurück. Er hatte nach Angaben der Polizisten die Szene rekonstruiert und den Ring fotografiert. Deutlich war die Stelle zu sehen gewesen, an der Lion Brecket mit dem Kopf gelegen hatte.
    Ich bat Flobert, mich von seinen weiteren Ergebnissen in Kenntnis zu setzen und verabschiedete mich.
    Von einer Fernsprechzelle wählte ich Madison Square Garden an, ließ mich mit Wilston verbinden und erklärte ihm, daß ich bereits auf dem Wege zum
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