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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen
Autoren: Peter Tremayne
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das beweisen?« fragte Beccan.
    Fidelma wandte sich zu Eadulf um, der ihr die zwei verschmutzten Pergamentseiten reichte.
    »Auf diesen beiden Blättern steht Cormacs Biographie. Sie wurden erst kürzlich aus dem Buch herausgetrennt. Ich habe sie bei Torcáns Leichnam gefunden.«
    »Fahrt fort«, brummte Beccan und warf einen Blick darauf.
    »Ich fand heraus, daß Schwester Almu eng mit Schwester Síomha befreundet war. Sehr eng. Also war Síomha natürlich die erste, der sie von ihrer Entdeckung berichten würde. Aus diesem Gespräch heraus entwickelte sich bei den beiden der Wunsch, das goldene Kalb zu finden und in ihren Besitz zu bringen. Eines haben all die traurigen Ereignisse in dieser Abtei gemeinsam: das Tatmotiv Habgier. Hat nicht Lukan, der Dichter, gesagt, Habgier sei ein verfluchtes Laster, und für eine genügend große Menge Gold würde jeder – auch wenn er am Verhungern wäre – seine letzten Nahrungsmittel eintauschen, nur um das Gold zu besitzen? Im vorliegenden Fall war es Schwester Síomha, die dem Verhungern nahe war, allerdings eher auf moralischer und geistlicher Ebene.
    Schwester Síomha war so überaus habgierig, daß sie sogar ihre Freundin betrog. Sie überredete sie, niemandem von der Geschichte zu erzählen – vielleicht vereinbarten sie, die Sache nach Almus Rückkehr aus Ard Fhearta weiter zu verfolgen. Sobald Schwester Almu abgereist war, zog Síomha einen Dritten ins Vertrauen und erzählte ihm alles. Anhand der Angaben auf den herausgetrennten Seiten des Buches entdeckten Síomha und ihr Komplize die Höhle, in der das sagenumwobene goldene Kalb ihrer Meinung nach versteckt sein mußte, aber ihr Eingang, der sich im subterraneas der Abtei befand, war mit Steinen und Erde zugeschüttet.
    Síomha mußte ihrem Komplizen Zeit und Gelegenheit verschaffen, damit er den Zugang zu der vermeintlichen Schatzhöhle freischaufeln konnte. Deshalb übernahm sie freiwillig so viele Nachtwachen wie möglich im Turm der Abtei. Nur eine Person hörte die klopfenden Geräusche, die beim Freilegen des Durchgangs entstanden, und das war Schwester Berrach. Schwester Berrach, eine intelligente junge Frau, die sich aufgrund von Vorurteilen verstellen und die Schwachsinnige spielen mußte, hatte die Angewohnheit entwickelt, sich jeden Morgen, lange vor Sonnenaufgang, heimlich in die Bibliothek zu stehlen, um dort zu lesen – sie wollte ihren Mitschwestern gegenüber nicht offenbaren, wie klug sie in Wirklichkeit war. Doch selbst Schwester Berrach hielt das Dröhnen lediglich für ein Echo der Geräusche, die häufig aus der geheimnisvollen Höhle unter der Abtei zu vernehmen waren. Das Dröhnen entsteht übrigens durch zwei alte Holzfässer, die in einem unterirdischen Wasserbecken, das sich in der Höhle befindet, umhertreiben und vom Meerwasser aus der Bucht, das die Höhle hin und wieder überflutet, in Bewegung versetzt werden. Was diese Vermutung betrifft, hatte Äbtissin Draigen durchaus recht.«
    Fidelma legte eine kurze Pause ein, da sie merkte, daß Beccans Schreiber Schwierigkeiten hatte, mitzukommen.
    »Schwester Síomhas Komplize hatte gerade den Durchbruch zu der zweiten Höhle gegraben, als eine unvorhergesehene Komplikation eintrat: Schwester Almu kehrte unerwartet in die Abtei zurück. Das Schicksal hatte eine schreckliche Wendung genommen. Schwester Comnat und Schwester Almu gerieten in Gefangenschaft, weil sie herausgefunden hatten, daß eine Verschwörung im Gange war und daß Gulban, der Häuptling der Beara, gemeinsam mit den Uí Fidgenti einen Aufstand gegen Cashel plante. Die beiden Ketten von Ereignissen hatten übrigens ursprünglich nicht das Geringste miteinander zu tun.
    Schwester Almu versuchte zu fliehen, wurde jedoch wieder eingefangen und zur Strafe ausgepeitscht. Sie wußte, daß sie kaum eine Chance hatte, aus dem Gebiet in der Nähe der Kupferminen zu entkommen – es sei denn, jemand würde ihr helfen. Nun weilte in der Ortschaft, wo man die Schwestern gefangenhielt, ein junger Prinz der Uí Fidgenti. Schwester Almu begann, sich bei dem jungen Mann einzuschmeicheln. Ich habe Almu zwar nicht gekannt, doch muß sie meiner Meinung nach eine ausgezeichnete Menschenkennerin gewesen sein. Sie begriff, daß Habgier eine der wichtigsten Triebfedern im Denken des Prinzen war. Also erzählte sie ihm die Geschichte vom goldenen Kalb und versprach ihm, das Geheimnis der Statue niemandem sonst zu verraten. Sie konnte ja nicht wissen, daß ihre Freundin ihr Vertrauen schon längst
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