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02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren

Titel: 02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
Autoren: Choga Regina Egbeme
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jetzt mit den Augen einer jungen Frau. Es war (und ist heute noch) ein schlichter Compound, der aus drei mittelgroßen Steinhäusern besteht. Zur Straße hin bewohnt Amara drei Räume, von denen zwei ihre Behandlungszimmer sind. Sie selbst schläft in einem schlichten Zimmer ohne jeden Luxus. Hinter ihrem Haus befindet sich die Unterkunft der Mädchen, das größte Haus, mit nebeneinander liegenden kleinen Kammern.
    Seitlich zwischen beiden Häusern ist das Kochhaus. Bei meiner Ankunft war es ein bescheidener Bau, inzwischen ist es das wichtigste Gebäude geworden - die
    „Kräuterküche“, sagen Amara und ich heute dazu, aber eigentlich ist es eine Art von Labor, in dem unter professionellen Bedingungen Medizin hergestellt wird.
    Am Tag meines Einzugs gab Amara mir einen neuen Namen, damit meine wahre Identität den etwa acht Mädchen,
    die bei ihr wohnten, verborgen blieb. „Mary hat eine schwere Zeit hinter sich.
    Sie wurde von ihrem Mann misshandelt“, stellte sie mich den anderen vor. „In wessen Zimmer darf Sister Mary wohnen?“, fragte Amara dann. Die Hände aller Mädchen flogen in die Luft, sie drängten sich um mich, streichelten mich und befühlten die teuren Stoffe, die ich auf dem Leib trug. Das alles drang kaum zu mir durch; ich war innerlich weit entfernt.
    Eine junge Frau namens Betty, die schon in meinem Alter war, wurde schließlich auserwählt, mich aufzunehmen. Betty war ich ein schweigsamer Gast. In den ersten Tagen lag ich nur stumm auf meiner Schlafstatt und beantwortete ihre Fragen nach meinem bisherigen Leben kaum. Ich hatte Angst, mich zu verraten, konnte die neue Umgebung kaum einschätzen und war nicht sicher, ob Felix mich nicht doch ausfindig machen konnte. Erst als Amara meinem Drängen nachgab und ihre Häuser mit festen Mauern umgab, beruhigte ich mich allmählich.
    Die Wehen setzten bereits mit Beginn des sechsten Monats ein. Amara befürchtete, ich könnte das Kind verlieren, und befahl mir, mich bis zur Geburt zu schonen. In meiner neuen Umgebung hatte jede Frau eine Aufgabe. Ich war lediglich Gast, zur Untätigkeit gezwungen. Dennoch war ich auch jetzt nicht mit meinen Ängsten und Sorgen allein. Meine Retterin saß oft stundenlang - obwohl sie selbst so viel zu tun hatte - an meinem Lager und sprach mit mir. Ich fühlte eine entsetzliche Leere in mir, so, als gäbe es für mich weder Vergangenheit, Gegenwart noch Zukunft.
    Ein Kind als Folge einer Vergewaltigung zu bekommen -auch wenn sie unter dem Deckmantel der Ehe geschieht -, ist eine demütigende Verletzung der Würde einer Frau. Und eine Versündigung gegen die Schöpfung, denn ein Kind soll aus Liebe gezeugt werden und nicht, damit ein Mann seine Macht über eine Frau ausdrücken kann. Die Bereitschaft zu entwi-ekeln, ein so entstandenes Kind zu lieben, ist unendlich schwer. Durch Amara lernte ich zu begreifen, dass das kleine Wesen daran unschuldig ist.
    Eines Tages erschien die Heilerin bei mir mit einem Stapel weißen Papiers und einem Bleistift. „Schreib alles auf, was dich bedrückt“, sagte sie. „Das ist die beste Medizin. Erzähl dem Papier, was dich ärgert und was dich hoffen lässt.“
    Anfangs erschien mir diese Idee völlig absurd. Wozu sollte das schon gut sein?, fragte ich mich im Stillen, doch je länger ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir der Gedanke. Damit niemand meine Notizen lesen konnte, begann ich alles auf Deutsch aufzuschreiben, meiner lange vernachlässigten Muttersprache.
    Meine Existenz bekam durch das Schreiben einen neuen Sinn; ich ging die Stationen meines Lebens noch einmal durch. All das Schöne, das ich erlebt hatte, all die Liebe meiner vielen Mamas. Ich würde sie zurückgeben können -

    wenn mein Kind auf die Welt käme. Mit der Zeit empfand ich etwas für dieses entstehende Leben, fühlte in mich hinein, spürte die ersten Bewegungen im Bauch. Ein Teil von mir wuchs heran. Ich begann mich damit zu versöhnen, dass mein Kind auch einen Teil seines Vaters in sich trägt. Vielleicht den besseren, nicht den schlechteren ..
    Die ersten Signale, die mein Körper von dem werdenden Kind empfing, ließen die Niedergeschlagenheit weichen, die mich monatelang umfangen hatte. Der Hass auf Felix wurde blasser, bis er irgendwann aus meinem Herzen verschwunden war. Die Babykleidung, die ich halbherzig zu schneidern begonnen hatte, nähte ich plötzlich mit neuem Schwung.
    Ich hatte zur Zeit der Empfängnis praktisch ohne Kalender gelebt, wusste folglich nicht, wann der
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