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0160 - Zuletzt wimmern sie alle

0160 - Zuletzt wimmern sie alle

Titel: 0160 - Zuletzt wimmern sie alle
Autoren: Zuletzt wimmern sie alle (1 of 2)
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beschäftigte sich intensiv, aber geräuschlos mit dem spielenden Mädchen.
    Der Vater war näher gekommen. Ich sah, wie seine Zungenspitze über die Lippen glitt. Dann räusperte er sich: »Hm! Hören Sie mal, Mister - eh…«
    »Cotton.«
    »Ach, ja, Mister Cotton. Das sind ja ganz unglaubliche Dinge! In unserer Straße ist so etwas noch nie passiert!«
    »Sind Sie ganz sicher?« fragte ich scharf. »Haben Sie sich schon einmal darum gekümmert, was Ihr Herr Sohn anstellt, wenn er mit einem Dutzend Gleichaltriger herumstrolcht? Ich bin nämlich noch nicht zu Ende: Zweitens hat man einen Jungen namens Ben Warren ein paar Häuser weiter mitten auf der Straße zusammengeschlagen und ihm ein Messer in die Brust gestochen. Ben Warren ist im Augenblick schon im Hospital, aber nur der Himmel weiß, ob man ihn wird retten können. Und drittens, Mister Stetson, wurden sämtliche vier Reifen an meinem Jaguar mit Messern zerfetzt. Die beiden letzten Taten wurden mit Sicherheit von jungen Burschen ausgeführt. Ich kann nicht beweisen, daß Ihr Sohn dabei war. Aber wenn Sie ihm ein einziges Mal gerade in die Augen zu blicken versuchen, dann wissen Sie, daß er dabei war! Und dann müßten Sie als Vater wissen, was Sie zu tun haben - was Sie längst hätten tun müssen!«
    Der Mann schluckte, In ihm arbeitete es.
    »Das - das mit dem Mädchen und Ben Warren, eh, ich meine, das ist wirklich wahr?« fragte er heiser.
    »Die Mordkommission untersucht den Fall bereits«, sagte ich.
    Der Mann räusperte sich. Er war fast einen Kopf größer als ich, und er hatte die Figur eines Freistilringers. Seine Finger hatten gut die doppelte Breite meiner eigenen.
    Jetzt schnallte er seinen Gürtel ab.
    »Komm mal her«, sagte er zu seinem Jungen.
    Der wich erschrocken bis an die Wand zurück.
    Mit zwei Sätzen war der Mann bei ihm. Mit seiner ungeheuren Pranke packte er den Jungen an der Schulter und schleppte ihn durch die Wohnküche. Genau vor mir stellte er den Jungen hin.
    »Fragen Sie ihn, was Sie wissen wollen, Mister Cotton«, schrie er. »Wenn Sie’s schnell machen, bin ich Ihnen nicht böse. Er wird antworten, das verspreche ich Ihnen!«
    Ich sah den Jungen an. Alle Frechheit, alle herausfordernde Keckheit waren aus dem Gesicht verschwunden. Auf einmal war er nur noch das, was er seinem Wesen nach war: ein Junge von vielleicht sechzehn Jahren. Und obendrein ein Junge, der eine namenlose Angst hatte.
    »Wer hat das Mädchen umgebracht?« fragte ich leise.
    »Ich weiß es nicht!« sagte er schnell. »Ich weiß es wirklich nicht! Ich hörte es von Ihnen zum erstenmal, daß Raila umgelegt worden ist! Ehrenwort!«
    Es sah so aus, als spräche er die Wahrheit. Ich dachte einen Augenblick nach, dann brachte ich meine nächste Frage an den Mann: »Wer hat Ben Warren niedergestochen?«
    Er schluckte. Aber er sagte zunächst nichts. Bis ihn der Schlag vom Gürtel seines Vaters traf. Es ging so schnell, daß selbst ich überrascht zusammenzuckte. Die Frau schrie auf. Der Junge stöhnte.
    »Wenn ihr Leute umbringen könnt«, schrie der Vater, »dann könnt ihr auch das Maul auf machen! Oder ich bringe es euch bei! Euch allen!«
    »Lassen Sie ihn los«, sagte ich leise.
    Er stutzte. Zögernd zog er die Hand von der Schulter des Jungen zurück. Er erzog, als es schon zu spät war. Wie viele Väter hatte er den richtigen Zeitpunkt verpaßt, wo es noch früh genug gewesen wäre, Unheil zu verhindern.
    »Wer hat Ben Warren niedergestochen?« fragte ich noch einmal.
    Die Frage hing in der Luft wie eine lautlose Drohung. Der Junge schluckte ein paarmal. Dann sagte er leise: »Ich glaube, es war Jack. Jack Ollegan. Aber ich weiß es nicht bestimmt, habe es im Dunkeln nicht so genau gesehen.«
    Ich stand auf. Mein Hut fiel auf die Erde, weil ich vergessen hatte, daß er auf meinem Knie lag. Ich bückte mich und hob ihn auf.
    »Wir werden Ihren Sohn vielleicht als Zeugen brauchen«, sagte ich. »Ob wir Anklage gegen ihn selbst erheben müssen, hängt davon ab, wie weit er in der Sache drinsteckt. Mich interessiert für den Augenblick nur eines: Wo wohnt Jack Ollegan?«
    Der Junge senkte den Kopf und wich meinem Blick aus.
    »Im nächsten Haus«, sagte die Mutter. »Im zweiten Stock.«
    »Danke, Ma’am, danke«, sagte ich und ging hinaus. Draußen setzte ich mir den Hut auf.
    Im Hausflur griff ich unter mein Jackett und prüfte den Sitz des Dienstrevolvers.
    ***
    Die Häuser glichen sich hier wie ein Ei dem andere. Ich stieg die Stufen bis .
    zur zweiten
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