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0100 - Die Schule der Dämonen

0100 - Die Schule der Dämonen

Titel: 0100 - Die Schule der Dämonen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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sich einige Worte verstehen.
    Bacchus… hilf uns… Wein… Ernte… Gelobt seist du… Herr des Weines…
    Er fand die Handlungsweise nicht einmal unverständlich. Limaux lebte vom Wein. Lag es da fern, Bacchus anzuflehen? Wenn er Weinbauer gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich bei dem Bittgesang mitgemacht.
    Auf einmal brach der Gesang der Menschenmenge ab. Auch der wilde Tanz geriet ins Stocken, als die Musik aufhörte. Nur die dumpfen Trommelschläge waren noch vernehmbar.
    Eine tiefe, beinahe beängstigende Stille trat ein. Irgend etwas mußte Vorgehen. Nicole und Zamorra standen am äußersten Rand der Menge. Sie konnten noch nicht erkennen, was im Inneren des Kreises, der sich um den Brunnen gebildet hatte, passierte.
    Kurz darauf aber konnten sie es sehen. Auf dem erhöhten Brunnenrand erschienen mehrere Gestalten. Drei Männer und eine junge Frau. Die Männer hatten sich als Satyrn verkleidet, während das Mädchen in ein einfaches, weißes Gewand gehüllt war.
    Die junge Frau machte einen völlig geistesabwesenden Eindruck, schien in tiefer Trance zu sein. Zwei der Satyrgestalten stützten das Mädchen. Sonst wäre es wahrscheinlich hilflos zu Boden gesunken.
    Der dritte Mann im Kostüm eines Bacchus-Begleiters hob jetzt die Arme hoch in die Luft und wandte sich der Menschenmenge zu.
    »Bürger von Limaux, Gäste unserer Stadt«, rief er. Seine Stimme war so laut, daß sie über den gesamten Marktplatz schallte. »Wir haben uns hier versammelt, um in dieser feierlichen Zeremonie den Segen des Gottes Bacchus für unsere Weinberge zu erflehen. Es ist mir als Stadtrat von Limaux eine besondere Ehre, zusammen mit unserem Arzt Doktor Delecourt und dem Herrn Pfarrer beim Höhepunkt der feierlichen Zeremonie…«
    Ganz überraschend stieß Nicole den Professor plötzlich in die Seite.
    »Chef, ich kenne den Mann, der da vorne redet!«
    Zamorra strich über seine Rippenpartie. Er hatte bisher gar nicht gewußt, daß Nicole so spitze Ellenbogen besaß.
    »Ich kenne den Mann auch«, sagte er. »Er ist Stadtrat hier in Limaux. Das hat er ja gerade laut und deutlich gesagt.«
    »Nein, das meine ich nicht«, entgegnete Nicole. »Ich kenne ihn woanders her. Aus Paris… Nur fällt mir partout nicht ein… Doch, jetzt habe ich es. Chef!«
    Alarmstimmung schwang plötzlich in ihrer Stimme mit.
    »Ganz ruhig, Nicole«, beschwichtigte sie der Professor.
    »Dieser Mann… ich erinnere mich jetzt. Kannst du dich noch auf die Nacht besinnen, in der ich dich beinahe mit der Schere umgebracht hätte?«
    »Und ob, meine Liebe!«
    »Du hast da von einem distinguiert aussehenden, graumelierten Mann gesprochen, der mich wahrscheinlich hypnotisiert hat. Dieser Stadtrat da vorne — das ist dieser Mann! Ich erinnere mich jetzt ganz deutlich. Sein Anblick muß einen Block in meinem Bewußtsein gelöst haben. Dieser Mann stand plötzlich an meinem Bett und… Er hatte riesengroße Augen, in die ich hineingestürzt bin.«
    »Oh, verdammt!« murmelte der Professor. »Das würde bedeuten, daß der Mann kein Stadtrat ist, sondern ein Dämon!«
    »Ja, das würde es wohl bedeuten. Was tun wir jetzt, Chef?«
    »Weiß noch nicht. Sehen wir erst einmal, wie diese Zeremonie da vorne weitergeht.«
    Weder der Professor noch Nicole hatten mitbekommen, was der als Satyr Verkleidete zuletzt gesagt hatte. Er war mitten im Satz, als sie wieder hinhörten.
    »… sich unsere junge Mitbürgerin Marie Jardin freudig bereit erklärt, zu Ehren des Gottes Bacchus und zum Segen unserer Stadt alles zu geben, was sie besitzt — sich selbt!«
    Der Sprecher schwieg. Und auch aus der Menge war kaum ein Laut zu vernehmen. Nur hier und dort störte jemand, der wahrscheinlich zuviel Wein getrunken hatte, die Stille.
    Der Stadtrat trat auf die anderen beiden Männer und das weißgewandete Mädchen zu. Plötzlich hatte er ein großes Messer in der Hand. Die breite Klinge blinkte im Schein der Brunnenbeleuchtung und der Straßenlaternen. Der Mann blickte auf die Statue des Bacchus und verneigte sich. Dann hob er die Hand mit dem blitzenden Messer…
    Nicole verkrampfte sich plötzlich ein bißchen. »Chef, er wird doch nicht etwa…«
    »Doch, er wird. Wenn es Bacchus verlangt…«
    »Natürlich«, sagte Nicole und entspannte sich wieder, »es ist ja im Interesse der Stadt.«
    Die Hand der Satyrgestalt zuckte nach vorne. Tief bohrte sich das Messer in die Brust des Mädchens. Augenblicklich färbte sich ihr weißes Gewand rot.
    Ein Aufschrei ging durch die Menge, ein
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