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0,1 % - Das Imperium der Milliardäre

0,1 % - Das Imperium der Milliardäre

Titel: 0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
Autoren: Hans-Jürgen Krysmanski
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Podiumsveranstaltung, an der unter anderem die Professoren Heinz Hartmann (Münster), Todd Gitlin (New York), Hermann Korte (Hamburg) und Claus Noé, 1998/1999 Staatssekretär im Finanzministerium von Oskar Lafontaine, beteiligt waren.
    Es gab auch eine Parallelveranstaltung zum Elitenproblem. Deren Teilnehmer publizierten später die Ergebnisse ihrer Diskussionen unter dem Titel Elitenmacht . 4 Die Frage nach den Akteuren der Macht, nach den Herrschenden, war damit elegant hinausgefiltert. Gleichwohl interessierte man sich durchaus für »deutsche Führungsgruppen« (Heinz Bude). Öffentlich aber sprach man nur undeutlich von »Differenzierungsparasiten« (Armin Nassehi), vielleicht noch von »Klüngeln« oder »digitalen Eliten«. Aber schon damalige Bemerkungen des 2009 verstorbenen Nestors der deutschen Soziologie, Lord Dahrendorf, über »globale Eliten«, denen er gelegentlich auf Transatlantikflügen begegnete, wurden nicht ernstgenommen. Was nicht ausschließt, dass unsere Mainstream-Elitenforscher seither einer bestimmten Klientel zuflüstern: Ihr Reichen und Mächtigen dieser neuen Republik, tut es den amerikanischen Geld- und Machteliten gleich, organisiert die »querverbindliche« Kommunikation untereinander, schafft in Berlin ein »Washington-Szenario« der Denkfabriken und politischen Stiftungen! Und vor allem: Verbreitet die Nebel der Philanthropie und Wohltätigkeit, wie eure amerikanischen Freunde es euch vormachen.
    Ich habe mich in den letzten Jahren mit dem US-amerikanischen Power Structure Research (PSR) beschäftigt. Dieser Forschungsansatz geht der Tatsache der ungleichen Verteilung jener Ressourcen nach, die Macht verleihen (Reichtum, politische Ämter, Kontrolle der Massenmedien), und fragt nach der Rolle formeller und informeller Netzwerke, durch die Macht konzentriert und institutionalisiert wird. PSR schöpft auf eine undogmatische (heterodoxe) Weise aus den Theorien von Karl Marx und Max Weber. Für Marx war Reichtum die typische Quelle von Macht, für Weber war Macht in der modernen Gesellschaft vornehmlich in bürokratischen Organisationen institutionalisiert. PSR geht empirisch vor und benutzt eine Kombination verschiedener Forschungsmethoden: Netzwerkanalysen, Interviews mit kenntnisreichen »Insidern«, Archivrecherchen und andere Formen der Dokumentenanalyse sowie Fallstudien des politischen Entscheidungsprozesses – und, in unserem Falle besonders spannend, »teilnehmende Beobachtung«. Power Structure Research wird in den USA nicht nur von Sozialwissenschaftlern betrieben, sondern auch von Journalisten, watchdog groups , politischen Parteien, Aktivisten in sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und sogar Künstlern wie Mark Lombardi (siehe Seite 53 f.).
    Das gängige empirische Rüstzeug der Soziologie dagegen ist für die Erforschung der Frage »What Does The Ruling Class Do When It Rules?« 5 noch immer kaum geeignet. Das belegen auch jüngste Untersuchungen einer mit dem Münsteraner Institut für Soziologie verbundenen Forschergruppe um Wolfgang Lauterbach, Thomas Druyen und Matthias Grundmann. Unter dem Titel Vermögen in Deutschland. Heterogenität und Verantwortung werden die Ergebnisse empirischer Befragungen »Reicher« und »Vermögender« über ihre »soziale Position in der Gesellschaft und ihre sinnstiftenden Handlungen« ausgebreitet. Die Befragten bewegten sich allerdings fast alle im unteren Bereich der Reichtumszone mit frei verfügbarem Vermögen etwa zwischen 300 000 und zehn Millionen Euro. Das ist alles ganz anregend. Über Machtverhältnisse aber findet sich kein Wort. 6
    Es scheint eben so, als sei der Kanon empirischer Methoden nicht wirklich über die in den industrie- und militärsoziologischen Untersuchungender dreißiger und vierziger Jahre entwickelten methodischen Ansätze hinausgekommen. 7 In autoritär-hierarchischen Industrie- und Militärorganisationen und entsprechend hierarchisch geschichteten Gesellschaften gibt es eben noch immer nur eine Beobachtungsperspektive: Die Mittelschichten beobachten die Unterschichten im Auftrag der Oberschichten; bestenfalls beobachten verschiedene Mittelschichtenfraktionen noch einander. Man riskiert auch mal einen Blick in den Himmel. Wer aber beobachtet die wirklichen Oberschichten? Und auf welche Weise, mit welchen Methoden?
    Insofern sind Ansätze wie die oben erwähnte Reichenstudie zwar ein Schritt voran. Was aber meist fehlt, ist ein Bewusstsein von den globalen Kontexten, in denen sich Geld- und Machteliten
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