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0076 - Wir verlernten das Lachen

0076 - Wir verlernten das Lachen

Titel: 0076 - Wir verlernten das Lachen
Autoren: Wir verlernten das Lachen
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uns zu einem kurzen Schlaf auszustrecken.
    ***
    Gegen neun rüttelte mich jemand am Arm. Ich erwachte. Phil beugte sich über mich. »Aufstehen, Jerry. Mantellivhat bei der Kanalgesellschaft einen Hubschrauber ausgeliehen. Wir können gleich selber nach dem Bus suchen.«
    Ich gähnte herzhaft und richtete mich auf. »Hat man das Wrack des Jeep und die Leiche schon abgeholt?« Phil nickte. »Den Jeep schon, Jerry. Den toten Pirelli hat man dagegen nicht gefunden. Vermutlich ' sind die Gangster später zurückgekommen und haben die Leiche entfernt und heimlich verscharrt.« —Ich stieg unter die Dusche, ehe ich mich hastig ankleidete. Ein Sergeant lieh mir seinen elektrischen Rasierapparat. Am Ende spülte ich mir in Ermanglung einer Zahnbürste den Mund mit Pflaumenschnaps. G-man Cotton war wieder einsatzbereit.
    Draußen war es brüllend heiß. Nach wenigen Minuten schon brach mir der Schweiß aus allen Poren. Ich sehnte mich nach New York und faßte den felsenfesten Entschluß, meinen nächsten Urlaub in Alaska zu verbringen.
    Ein Dienstwagen brachte Mantelli, Phil und mich zu einem Stoppelfeld, wo der Sikorski-Hubschrauber auf uns wartete.
    »Wie geht es Lewis?« fragte ’ ich Mantelli. Er erwiderte, es gehe ihm den Umständen entsprechend ganz gut und brenne darauf, sich wieder aktiv in die Ermittlungen einschalten zu können.
    Während ich mit Phil einstieg, verständigte sich der Capitano mit dem Piloten, einem jungen, cleveren Mann. Gleich darauf schwoll der Motorenlärm zu einem heulenden Furioso an; der Hubschrauber hob sanft ab, stieg schnell auf etwa 100 Meter und nahm Kurs auf den Seitenarm des Stausees, an dessen Ufer wir Stunden zuvor beinahe endgültig aus dem Verkehr gezogen worden wären.
    Wir hatten es mit einer Bande kaltblütiger, erbarmungsloser Verbrecher zu tun, für die Menschen bestenfalls den Stellenwert von Schachfiguren besaßen. Ich war fest davon überzeugt, daß es uns gelingen würde, die Kidnapper zu stellen und der strafenden Gerechtigkeit zuüberführen, obwohl sie erstaunlich exakte Arbeit geleistet und alle Spuren verwischt hatten. Fraglich war es nur, ob wir den armen Kindern noch helfen konnten. Vielleicht waren sie noch am Leben. Vielleicht…
    Wenn ich daran denke, welche Konsequenzen unser von Pflicht und Gesetz vorgeschriebenes Handeln sehr leicht haben konnte, wurde mir heiß und kalt. Die Verbrecher wußten um die eben begonnene gnadenlose Jagd; sie wußten, daß wir früher oder später ihre Spur aufnehmen würden. Zu diesem Zeitpunkt würden die entführten Kinder in einer ungeheueren Gefahr sein. Diese Gefahr konnte man leicht beseitigen, wenn man nur die dazu nötige zynische, unmenschliche innere Einstellung besaß.
    Die Überlegung folterte mich, daß wir, Phil und ich, vielleicht indirekt am Tod der Jungen schuld sein würden.
    Phil, der neben mir saß, warf mir einen besorgten Blick zu. »Was ist los, Jerry?«
    »Ach, nichts!« erwiderte ich kurz angebunden.
    Er drang nicht weiter in mich, aber er wußte Bescheid, und seine Laune wurde dadurch auch nicht besser.
    Unter uns lagen die Berge von Chilibre mit ihren Urwäldern und die wild zerklüftete Küste des See-Armes.
    »Auf 50 Meter gehen!« bat Phil den Piloten. Der Mann nickte, schaltete, und gehorsam senkte sich die Nase des Apparates. Mit einer Geschwindigkeit von fünf Meilen bewegte er sich langsam vorwärts, während wir angestrengt nach unten starrten.
    Etwa zwei Meilen hinter der Senke, in der wir überfallen worden waren, deutete Phil nach unten. »Stop!«
    Der Pilot hielt auf der Stelle, rangierte auf Phils Wunsch noch etwas zurück und ging langsam tiefer.
    Jetzt konnte ich es auch sehen: ein gelblich schimmerndes Rechteck, dessen Konturen durch die trägen Wellen des Sees, die wie ein Verzerrungsfilter wirkten, seltsam verwischt wurden.
    »Das Dach des Lopezschen Wagens,« sagte Mantelli. »Ein Wunder, daß er nicht gekentert ist. Ich rufe sofort South Gamboa an und bestelle das Bergekommando!«
    Er nahm das Kehlkopfmikrophon der Funksprechanlage um und begann in Spanisch zu sprechen.
    Ich klopfte dem Piloten auf die Schulter und bat ihn, zu landen. Wenige Minuten später setzte der Apparat neben dem Weg bei einer Gruppe von Divi-divi-Bäumen auf, und wir stiegen aus.
    Der Weg des Wagens ließ sich verfolgen. Er war von der an dieser Stelle dicht neben dem Ufer verlaufenden Straße nach links ausgeschert, hatte im weichen Untergrund deutliche Reifenspuren hinterlassen und war dann — vermutlich!
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