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Zweiherz

Titel: Zweiherz
Autoren: Antje Babendererde
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du ihr verziehen?«
    Der alte Navajo hob die Schultern. »Liebe sollte einen glücklich machen«, sagte er, »aber manchmal passiert genau das Gegenteil.«
    »Weiß Will davon?«
    »Ich habe es ihm nicht erzählt so wie jetzt dir. Aber er besitzt einen Brief seines Vaters. Vielleicht steht alles da drin. Er hat ihn gelesen und mir ein paar Fragen gestellt.«
    Kaye ging zur Tür. Was sie gehört hatte, musste sie erst einmal verkraften. Bevor sie ins Freie trat, drehte sie sich noch einmal um und sagte: »Danke, dass du es mir erzählt hast, Großvater. Es gibt ein paar Dinge, die ich nun besser verstehen kann.«

    Die Trockenheit des Julisommers hatte das Gras und die Kräuter verdorren lassen. Sogar die Blätter an den Bäumen zerbröselten zwischen den Fingern, wenn man nach ihnen griff. Das Wasser der Nachtquelle floss nur noch zwei oder drei Stunden in der Nacht. Aber der Boden um die Quelle war immer feucht und in der grünen Rinne blühten ein paar seltene Wüstenpflanzen. Am auffälligsten waren die großblütigen gelben Blazing Stars, die tatsächlich wie fünfzackige Sterne aussahen. Kaye erschrak, als ein Eselhase mit seinen riesigen Ohren aus einem Schachtelhalmstrauch gehoppelt kam. Er schien gar keine Angst vor ihnen zu haben.
    Will lachte. »Die Hitze hat ihn träge gemacht. Vermutlich ist er eingeschlafen und hat vergessen, mit seinen großen Ohren zu wedeln.«
    Kaye lief zielstrebig weiter.
    »Du hast es ziemlich eilig. Wo bringst du mich eigentlich hin?« Langsam dämmerte Will, dass Kayes Weg ein Ziel hatte.
    Sie deutete mit der Hand auf einen breiten Spalt zwischen zwei riesigen roten Sandsteinblöcken. Ein Wacholder wuchs daraus empor und hoch oben am Fels nistete ein Adlerpärchen.
    »Was willst du dort?« Wills Gesichtsausdruck verfinsterte sich.
    »Ich muss dir etwas erzählen.«
    »Hat es etwas mit meinem Vater zu tun?«
    Kaye nickte und hielt sich die Hand vor die Augen, weil die grelle Sonne sie blendete. »Ja, mit ihm und mit meiner Mutter.«
    Es war nicht das, was er hören wollte, aber nach kurzem Zögern nahm er ihre Hand und zog sie hinter sich her, hinauf zum Grab seines Vaters. Vollkommen außer Atem standen sie da.
    »Du weißt, warum er es getan hat?«, fragte sie vorsichtig.
    Will nickte. »Er liebte deine Mutter.«
    »Du musst sie hassen.«
    »Nein«, erwiderte er kopfschüttelnd. »Warum sollte ich. Sie liebte meinen Vater, wollte deinen aber nicht verlassen. Deine Mutter war stark. Ich hasse sie nicht, ich hasse auch meinen Vater nicht. Ich habe ihm verziehen, dass er mich auf diese Schule geschickt hat, denn er konnte nicht wissen, was dort vor sich ging. Ich hätte mit ihm reden müssen, er hätte mir geglaubt.«
    Will schwieg eine Weile, dann nickte er in Richtung Grab. »Vielleicht werde ich ihm eines Tages auch das verzeihen.«
    »Das wirst du.« Sie seufzte tief. »Manchmal versuche ich, mir vorzustellen, wie es wohl war, wenn sie sich dort oben im Sommerhogan geliebt haben?«
    Will zuckte zusammen. »Was?«
    »Ich dachte, das hättest du gewusst?«
    Er hockte sich auf einen Stein und sein Herz begann, heftig zu schlagen. Eine irre Angst machte sich in ihm breit. »In seinem Brief hat er nur geschrieben, dass er sie geliebt hat, aber nicht, dass er auch... dass er mit ihr geschlafen hat.«
    »Menschen, die sich lieben, tun das nun mal«, erwiderte Kaye. »Stört es dich?«
    »Ich weiß nicht«, brachte er unglücklich hervor. »Sind wir hier hinaufgegangen, weil du mir schonend beibringen willst, dass du meine Schwester bist? Hab ich schon wieder was falsch gemacht?«
    Kaye sah Will entgeistert an. Dann begann sie zu lachen. Sie kniete vor ihm nieder, umarmte ihn und lachte. »Nein, keine Angst. Als ich geboren wurde, kannten sich meine Mutter und dein Vater noch gar nicht. Und außerdem: Ich glaube, es gibt wenig Zweifel daran, dass ich eine echte Kingley bin, oder?«
    Will drückte sein Gesicht in ihr rötlich schimmerndes Haar. »Es hätte sein können«, sagte er.
    »Meine Mutter und dein Vater hinterlassen kein einfaches Erbe, nicht wahr?« Kaye sah ihn an.
    »Nein. Aber wir würden uns vielleicht nicht kennen, wenn sie sich nicht gekannt hätten. Du würdest jetzt mit deinem Hopi auf der Veranda sitzen und ich...«
    Sie küsste ihn, obwohl es gegen die Höflichkeitsregel verstieß, den anderen nicht ausreden zu lassen. »Er heißt Pete und er ist nicht mein Hopi«, sagte Kaye. »Aber ich mag es, wenn du eifersüchtig bist.«
    »Dein Dad war auch eifersüchtig«,
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