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Wenn es Nacht wird in Miami

Wenn es Nacht wird in Miami

Titel: Wenn es Nacht wird in Miami
Autoren: EMILIE ROSE
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Ihr schwirrte der Kopf, und ihr war flau im Magen. Sie konnte guten Gewissens nicht verantworten, Rhett um ein solches Vermögen zu bringen. Mit dem Erbe hätte er zeitlebens ausgesorgt. Aber sie hatte Marlene versprochen, für ihren Sohn zu sorgen, sollte ihr einmal etwas zustoßen. Und schließlich – Carly liebte Rhett. Sie liebte ihn so, wie sie ihre Tochter geliebt hätte, wenn man es zugelassen hätte.
    Carly atmete tief durch. Sie durfte jetzt keinen Fehler machen. Immerhin hatte Everett Kincaid, nachdem er sich lange dagegen gesträubt hatte, Rhett nun doch noch als seinen Sohn akzeptiert. Es musste einen Weg geben …
    „Ich muss mit meinem Anwalt sprechen“, erklärte Carly bestimmt. „Außerdem brauche ich eine Kopie des Testaments.“
    Mitch wurde ungeduldig. „Wir haben nicht endlos Zeit, Miss Corbin. Mein Vater hat in seinem Testament Fristen gesetzt. Was wollen Sie? Wollen Sie mit mir handeln? Sind fünfhunderttausend Dollar genug für Sie?“
    Der harte Ausdruck seiner grünen Augen sagte ihr, dass er es ernst meinte. Er bildete sich tatsächlich ein, er könnte ihr Rhett einfach abkaufen. Der Gedanke empörte sie. Marlene hatte recht gehabt. Er war ein herzloses, kalt berechnendes Scheusal.
    „Sie sind nicht bei Trost“, sagte sie. „Glauben Sie, Sie können Menschen einfach kaufen?“
    Mitch überhörte die Bemerkung. „Eine Million?“ Er ging zu seinem Jackett, das über einer Stuhllehne hing, und holte ein Scheckbuch und einen Füllfederhalter heraus.
    Carly sprang auf. „Ein für alle Mal, Mr. Kincaid: Rhett ist nicht zu verkaufen. Und jetzt gehen Sie bitte.“
    Rhett war gerade dabei, sein Abendessen mit beiden Händen zu Mus zu verarbeiten. Um seinen Stuhl herum hatte er bereits alles großzügig mit Bananen-Käse-Brei verziert. Mitch machte vorsichtshalber einen Bogen um ihn. Er griff nach seinem Jackett, steckte Scheckbuch und Füller wieder ein und holte eine Visitenkarte heraus, die er auf den Küchentresen neben die nach wie vor ungeöffnete Wasserflasche legte.
    „Ich lasse Ihnen eine Kopie des Testaments zuschicken“, sagte er. „Reden Sie mit Ihrem Anwalt, und rufen Sie mich morgen an.“
    Damit drehte er sich auf dem Absatz um und ging hinaus. Carly hörte, wie die Haustür hinter ihm zuschlug.
    Seufzend nahm sie einen Waschlappen, hielt ihn unter lauwarmes Wasser und machte sich daran, ihren kleinen Zögling zu säubern. „Oh Rhett, was machen wir bloß“, meinte sie traurig. „Ich kann dich nicht hergeben. Aber ich kann auch nicht verantworten, dass dir ein solches Erbe entgeht.“
    „Tut mir leid, wenn ich störe.“ Marie, Mitchs Sekretärin, stand in der Tür des Konferenzraums. „Da ist eine Carly Corbin, die Sie unbedingt sprechen möchte, Mitch. Sie hat keinen Termin.“
    „Soll in mein Büro kommen.“ Nachdem Marie sich wieder zurückgezogen hatte, sagte Mitch zu Rand, der ihm gegenübersaß: „Na endlich! Drei Tage hat sie uns warten lassen. Nun wird sich zeigen, wie teuer uns der kleine Bastard zu stehen kommt. Warte auf mich, ich bin gleich zurück.“
    Rand hob beschwichtigend die Hand. „Lass dir Zeit, Bruder. Ich kann die nächste Bewerberin auch allein interviewen.“
    Dieses verdammte Testament, dachte Mitch, während er in sein Büro ging. Der letzte Wille von Everett Kincaid legte seinen Kindern eine endlose Reihe von Hindernissen in den Weg. Rand hatte an der Westküste alles stehen und liegen lassen müssen, was er sich dort in fünf Jahren aufgebaut hatte, um bei KCL das Ruder zu übernehmen. Mitch hatte plötzlich für ein einjähriges Kind zu sorgen, das er aber, wie es ausssah, zunächst den Klauen einer habgierigen Tante entreißen musste. Nadia schließlich war von Everett aus Miami nach Dallas, Texas, verbannt worden und durfte sich ein Jahr lang nicht um die Geschäfte der Reederei kümmern. Da sie einen wichtigen Posten im Management bekleidete, musste eine Vertretung für sie gefunden werden.
    Noch bevor Mitch hinter seinem Schreibtisch Platz nehmen konnte, kam Carly ins Büro. Sie nickte ihm nur flüchtig zur Begrüßung zu und bewunderte gleich darauf die Aussicht, die die durchgehende Fensterfront im dreißigsten Stock über die Stadt, den Hafen und die Biscayne Bay eröffnete.
    Mitch sah seine Besucherin erstaunt an und wartete. Er war es nicht gewohnt, übersehen zu werden, schon gar nicht von einer Frau. Aber er vergaß seinen verletzten Stolz schnell und nutzte die Gelegenheit, sich Carly in aller Ruhe anzusehen.
    Carly
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