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Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue
Autoren: Alessandro D'Avenia
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mehr Panzertür als Torwart ist. Wir haben die richtige Einstellung. Darauf kommt es an. Die anderen können sich vor Pickeln kaum retten und sind eher Memmen als Schönlinge.
    Ehe sie überhaupt kapieren, mit wem sie es zu tun haben, haben wir schon zwei Tore reingepfeffert. Eins Niko und eins ich. Zwei echte Mittelfeldpiraten. Der eine weiß immer, wo der andere steht, selbst mit geschlossenen Augen, Rücken an Rücken, wie zwei Brüder. Während ich nach meinem vernichtend präzisen Eckschuss jubelnd die Arme hochreiße, sehe ich Silvia, die sich mit ein paar anderen Mädchen aus der Klasse das Spiel ansieht: Erika-mit-K, Elettra, Eli, Fra und Barbie. Sie quatschen miteinander. Wie immer. Das Spiel ist denen total wurscht. Nur Silvia beklatscht mein Tor. Und ich werfe ihr eine Kusshand zu wie die Fußballstars, die ihrer Kurve danken. Eines Tages wird Beatrice mir einen Kuss zuwerfen. Ich werde ihr meinen schönsten Treffer widmen, auf die Tribüne zulaufen und allen mein T-Shirt mit der Aufschrift »I belong to Beatrice« zeigen.

D er Mann von der Argentieri ist gestorben. Wir werden sie nicht w iedersehen: Sie hat beschlossen, vorzeitig in den Ruhestand zu treten. Sie ist am Boden zerstört. Zwar hat sie noch ihre zwei Kinder, doch der Mann war ihr Lebensinhalt, Geschichte und Philo hingegen schon lange nicht mehr. Der Träumer bleibt uns erhalten: Vertretungslehrer bringen einfach Unglück … für einen Job murksen sie sogar die Männer armer, unschuldiger Lehrerinnen ab.
    Wie auch immer, wir müssen auf die Beerdigung vom Mann der Argentieri gehen, und von solchen Sachen habe ich überhaupt keinen Blassen. Ich weiß nicht, was ich anziehen soll. Silvia, die einzige Frau, der ich in Stilfragen vertraue, meint, ich muss was Dunkles anziehen, vielleicht einen dunkelblauen Pulli mit Hemd drunter. Jeans sind auch okay, wenn ich keine anderen Hosen habe. Die Kirche ist voll mit Leuten aus der Schule. Ich setze mich ganz nach hinten, weil ich auch keinen Blassen habe, wann man aufstehen muss und wann nicht. Und wenn ich die Argentieri treffe? Was sagt man in so einer Situation? Das Wort Beileid – so heißt das doch? – klingt irgendwie platt. Besser, im Hintergrund zu bleiben, in der Menge unterzutauchen, unsichtbar und unbedeutend.
    Der Trauergottesdienst wird von dem Priester abgehalten, bei dem ich auch Reli habe: Gandalf. Er ist winzig klein, hat fast Taschenformat und dazu unzählige freundlich blitzende Falten, weshalb ihn alle nur Gandalf nennen, nach dem Zauberer aus Der Herr der Ringe .
    Die Argentieri sitzt in der ersten Reihe, außen schwarz, innen weiß. Mit einem Taschentuch tupft sie sich die Tränen weg, und ihre Kinder sitzen daneben. Ein Mann um die vierzig und eine etwas jüngere, gar nicht übel aussehende Frau. Die Kinder von Lehrern sind immer ein Rätsel, weil man nie weiß, ob Lehrer überhaupt normale Kinder haben können: Von morgens bis abends werden sie belehrt! Die reinste Hölle …
    Doch die Argentieri weint, und das tut mir leid. Am Ende läuft sie zufällig an mir vorbei und sieht mich an, als würde sie etwas erwarten. Ich lächle ihr zu. Etwas anderes fällt mir nicht ein. Sie senkt den Blick und folgt dem hölzernen Sarg hinaus. Ich bin echt ein Pirat. Das Einzige, was mir bei einer Frau, die ihren Mann verloren hat, einfällt, ist, sie anzugrienen. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hätte ich etwas sagen sollen. Aber in manchen Situationen weiß ich einfach nicht, wie ich mich verhalten soll: Was kann ich dafür?
    Als ich wieder zu Hause bin, habe ich zu nichts Lust. Ich wäre gern allein, aber ich ertrage das Weiß einfach nicht. Ich mache Musik an und gehe ins Netz. Ich chatte mit Niko über die Beerdigung.
    Wer weiß, wo der Mann von der Argentieri jetzt ist.
    Ist er wiedergeboren?
    Oder nur Asche?
    Leidet er?
    Ich hoffe, dass er nicht mehr leidet, er hat schon genug gelitten. Niko weiß es nicht. Er glaubt, dass nach dem Tod irgendetwas kommt. Aber er will auf keinen Fall als Fliege wiedergeboren werden. Wie kommt er denn auf Fliege? Weil zu Hause alle zu ihm sagen, er sei lästig wie eine Fliege, erklärt er mir.
    Übrigens, oder gar nicht mal so übrigens: Ich darf Beatrices Geburtstag nicht vergessen. Am besten schicke ich ihr gleich eine SMS: »Ciao Beatrice, ich bin Leo, der Typ aus der 11 d mit der crazy Mähne. Du hast bald Geburtstag. Was machst Du Schönes? Bis bald, Leo §:-)«. Sie antwortet nicht. Ich fühle mich mies. Ich hab wieder mal voll
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