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Weiß wie der Tod

Weiß wie der Tod

Titel: Weiß wie der Tod
Autoren: Roman Rausch
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geltender Gesetzeslage kümmert er sich nur um die Bestrafung eines Täters, nicht um das weitere Schicksal der Opfer.
    Als wäre es mit einer Strafe getan. Sie haben keine Vorstellung, welche Folgen Gewalt auf Menschen hat. Sie sehen es nur von der Ermittlungsseite her. Wenn Sie Ihren Bericht geschrieben und die Unterlagen dem Staatsanwalt übergeben haben, dann hört es mit Ihrem Interesse auf.
    Der Staatsanwalt ist zufrieden, wenn er eine Verurteilung erreicht, und der Richter konzentriert sich auf den nächsten Fall. Der Täter geht in Haft oder zur Therapie in die Anstalt. Das war’s. Mehr hat der deutsche Staat nicht zu bieten. Doch was geschieht mit den an Körper und Seele gebrochenen Opfern?
    Wir nennen uns demokratisch und humanistisch. Echtes Mitgefühl und tatsächliche Hilfe sind uns jedoch fremd.
    Lieber schielen wir nach der nächsten blutrünstigen Tat eines Verbrechers. Hier die Lebensbeichte eines Vergewaltigers, dort der nächste Schocker über einen Serientäter. Diese Welt ist krank. Sie hofiert die Täter und bestraft die Opfer mit Teilnahmslosigkeit.«
    Levy schaltete sich über das Interkom zu. »Frag ihn, woher die Inhalte über die Raubtiere stammen.«
    »Auf der Website der Weißen Lilie gibt es eine sehr interessante Funktion«, sagte Michaelis. »Jeder kann sich dort erkundigen, ob in seiner Nachbarschaft ein sogenanntes Raubtier wohnt. Woher erhalten Sie diese Informationen, und was hat es damit auf sich?«
    »Wir bezeichnen verurteilte Gewaltverbrecher als Raubtiere, da sie, wie in der freien Wildbahn auch, ihr Tun nicht einstellen werden. Es ist ihre Natur. Wie Sie einem Tiger das Jagen nicht austreiben können, wird ein Raubtier immer wieder Gewalt anwenden.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte Naima.
    »Betrachten Sie sich die Rückfallquoten. Sie schwanken zwischen sechzig und achtzig Prozent. Und das seit Jahren. Keine Therapie, kein Knast und keine noch so großen Versprechen können daran etwas ändern. Sie schlagen, vergewaltigen und töten ein Leben lang. Das ist Fakt.«
    »Was glauben Sie, was Sie mit der Veröffentlichung dieser Informationen erreichen, außer Angst und Denunziantentum?«
    »Genau das Gegenteil davon. Wer um die Gefahr weiß, kann sich darauf einstellen. Sie wissen, wo sich Ihr Feind befindet. Ihr Kind und Ihre Frau leben dadurch sicherer.«
    »Woher erhalten Sie die Informationen über diese Menschen?«
    »Vieles ist öffentlich, der Rest wird recherchiert.«
    »Wer recherchiert und wie?«
    »Das Netzwerk der Mitglieder. Jeder trägt bei, was er kann.«
    »Gehört dazu auch das Eindringen in fremde Computer?« Naima hatte ausgesprochen, was sie nicht sollte.
    Waan merkte auf. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Wir haben den Eindruck«, schritt Michaelis ein, »dass Sie Informationsquellen heranziehen, die Sie durch Computerspionage erlangt haben.«
    »Unsinn.«
    Alexej Naumov kam mit Falk Gudman in den Nebenraum, in dem Levy und Benguela die Befragung verfolgten. »Wir haben ein Problem«, sagte Naumov und berichtete von Sternenstaub und Sebastian.
    Levy dachte nach. Wie würde Thorsten Waan auf diese Nachricht reagieren? Er gab die Information an Michaelis weiter.
    »Wer ist Sternenstaub?«, fragte sie Waan.
    Er wurde hellhörig. »Woher haben Sie diesen Namen?«
    Michaelis erklärte es ihm, indem sie Levys Worte wiederholte.
    »Ich muss telefonieren«, sagte Waan und griff nach seinem Handy.
    Michaelis gestattete es.
    Waan ließ es lange läuten. Dann die Wahlwiederholung. Seine Tochter nahm das Gespräch nicht entgegen.
    »Ich muss Lili suchen«, sagte er und stand auf.
    »Wir sind noch nicht fertig«, widersprach Michaelis. Nun würde sie den Strick enger ziehen, bis Waan endlich den Mund aufmachte. »Sie bleiben.«
    »Verstehen Sie denn nicht? Lili ist in Gefahr.«
    »Sie ist mit einem Mann verabredet. Für eine erwachsene Frau sollte das kein Problem darstellen.«
    »Sie haben keine Ahnung.« Er ging zur Tür. Ein Polizeibeamter verwehrte ihm das Weitergehen. »Lassen Sie mich raus.«
    »Nicht, bis Sie uns erklären, wieso Ihre Tochter in Gefahr sein soll.«
    »Dafür ist jetzt keine Zeit.«
    »Lass ihn gehen«, sagte Levy über das Interkom.
    Michaelis schüttelte verneinend den Kopf.
    »Herr Waan«, sagte sie, »Sie können sofort gehen, wenn Sie uns alles sagen. Je schneller, desto besser.«
    »Sie Miststück«, brüllte er sie an. »Sie setzen das Leben meiner Tochter aufs Spiel.«
    »Nicht ich habe sie in diese Lage gebracht. Wenn Sie jetzt
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