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Weihnachten steht vor der Tür

Weihnachten steht vor der Tür

Titel: Weihnachten steht vor der Tür
Autoren: Monika Feth
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gewesen. Sie waren ihr Leben lang leidenschaftliche Streunerinnen. Wild und kämpferisch und wunderschön.
    Die elegantesten, hochnäsigsten Perserdamen verkümmerten neben ihnen zu platten Sofakissen. Dem Leben in der Diele bin ich also gewachsen. Mich wirft so leicht nichts um. Höchstens Fränzchen, aber der rennt schließlich alles nieder.
    Nun bin ich bestens vorbereitet. Wenn Weihnachten kommt, muss er an mir vorbei. Ich werde der Erste sein, der ihn begrüßt. Wenn sie mich nur in Ruhe lassen würden. Ich bin doch ein freier Kater und kann frei entscheiden, wo ich mich aufhalten will. Aber nein.
    Zuerst hat Marlene versucht, mich umzustimmen. Dann Ellen, die Vogelnärrin. Danach Fränzchen. Wenig später der Mann. Und jetzt kommt auch noch die Frau.

    »Warum legst du dich nicht auf deinen Platz?«, fragt sie. »Was ist los mit dir?«

    Ach ja … mein Platz im Wohnzimmer! Meine Kuscheldecke auf der Fensterbank, direkt über der Heizung. Mit Aussicht in den Garten und auf meine Lieblingsfeinde, die Vögel … Nicht schwach werden, befehle ich mir. Denk nicht an die köstlichen, kugeligen Meisen, die leckeren, struppigen Spatzen. Denk an Urgroßvater. Denk an Großvater und Vater. Und an Mutter, die sich irgendwo da draußen tagtäglich abrackern muss. Für einen mageren Fischkopf oder die kärglichen Reste eines Hähnchenschenkels.
    »Also?« Die Frau krault mich sanft hinter den Ohren, da, wo ich es am liebsten mag. »Warum liegst du denn hier in der Kälte? «

    »Weil ich auf Weihnachten warte«, maunze ich standhaft.
    Sie beugt sich zu mir herunter und sieht mir tief und ratlos in die Augen. Menschen verstehen nun mal leider nur ihre eigene Sprache. Sie sind nicht übel, aber doch ziemlich beschränkt.

    Ich mache die Augen zu. Ich kann es nicht leiden, wenn man mich anstarrt. Erst recht nicht mit diesem Was-hat-denn-unserarmer-kleiner-Kater-Blick. Als Nächstes räkle ich mich und schnurre, damit sie nicht auf falsche Gedanken kommt.
    Das würde mir gerade noch fehlen, dass sie mich für krank hält und zum Tierarzt schleppt! Der sieht
zwar aus wie ein Mensch, bewegt sich wie einer und redet auch so. Aber riechen tut er nach Mensch, Hund, Katze, Meerschweinchen, Papagei und Medizin. Er hat grobe Hände, die einem grauslich wehtun können.

    Die Frau ist leicht zu beschwichtigen. Sie wirft mir einen letzten Blick zu und verschwindet. Gut.

3. Dezember
    Keine Ahnung, wer Weihnachten ist. Bestimmt niemand, den ich kenne. An so einen Namen würde ich mich erinnern. Es erklärt einem ja auch keiner was. Man ist ja nur ein Kater.
    Natürlich mache ich mir so meine Gedanken. Und dabei ist mir was aufgefallen: Um das große Geheimnis Weihnachten herum gibt es unzählige kleinere Geheimnisse.

    Marlene hat zu ihrem zwölften
Geburtstag eine Steckpuppe geschenkt bekommen. Wenn man sie in der Mitte aufschraubt, findet man eine zweite Puppe darin. In der zweiten Puppe ist eine dritte versteckt. Und in der dritten eine vierte. Insgesamt sind sieben Puppen in der großen verborgen, eine kleiner als die andere. Wie Orgelpfeifen.

    Wie Marlene, Ellen, Fränzchen und ich.
    Mit dem Geheimnis Weihnachten ist es ähnlich. Nur dass darin bestimmt sieben mal sieben kleinere Geheimnisse stecken. So viele, dass einem davon ganz wirr im Kopf wird.
    Seit Wochen rennen sie herum wie aufgescheuchte Hühner. Vor allem der Mann und die Frau.
    Sie kaufen ein. Schleppen Taschen und Tüten ins Haus. Verstecken Sachen in Schränken, Schubladen und Kommoden. Verschließen Türen und klimpern mit Schlüsseln und Schlüsselchen. Sie wissen genau, welche Wirkung knisterndes Papier auf mich hat. Aber an nichts komme ich heran. Und dabei soll man ruhig bleiben!

    Nachts werde ich von Albträumen geplagt und tagsüber komme ich kaum zum Schlafen. Weil nichts ist wie sonst. Weil sich alle Geräusche und Gerüche verändert haben.
    Die Frau backt Plätzchen, seit Wochen schon. Weihnachtsgebäck.
    Muss einen Magen haben wie ein Pferd, dieser Weihnachten.
    Zimtsterne, Schokoladennester, Dominosteine, Lebkuchen und Printen hat sie schon gebacken. Und jeden Tag probiert sie ein neues Rezept von ihrer Mutter aus.
    Leider verschwinden all die Köstlichkeiten in großen, kalten Blechdosen. Und die werden ganz oben im Regal in der Vorratskammer verstaut. Damit Fränzchen nicht rankommt. Und damit ich nicht rankomme.
Weil Fränzchen ja bestimmt wieder vergessen würde, die Dosen zu verschließen.
    Weihnachten verdreht der Frau den Kopf. Er macht aus ihr
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