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Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Titel: Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
Autoren: Theodor Fontane
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Überhebung. In noch schlimmerem Lichte erscheint das Deutschtum in der Geschichte von Markgraf Gero. Dieser, wie in Balladen oft erzählt, ließ dreißig wendische Fürsten, also wahrscheinlich die Häupter fast aller Stämme zwischen Elbe und Oder, zu einem Gastmahl laden, machte die Erschienenen trunken und ließ sie dann ermorden. Das war 939. Nicht genug damit. Im selben Jahre vollführte er einen zweiten List- und Gewaltstreich. Den Tugumir, einen flüchtigen Fürsten der Heveller, den er durch Versprechungen auf seine Seite zu ziehen gewußt hatte, ließ er nach Brennabor zurückkehren, wo er Haß gegen die Deutschen heucheln und dadurch die alte Gunst seines Stammes sich wiedererobern mußte. Aber kaum im Besitz dieser Gunst, tötete Tugumir seinen Neffen, der in wirklicher Treue und Aufrichtigkeit an der Sache der Wenden hing, und öffnete dann dem Gero die Tore, dessen bloßes Werkzeug er gewesen war. Das waren die Taten, mit denen die Deutschen – freilich oft unter Hilfe und Zutun der Wenden selbst – voranschritten. Weder die Deutschen noch ihre Chronisten, zum Teil hochkirchliche Männer, ließen sich diese Verfahrungsweise anfechten, klagten aber Mal auf Mal über die »Falschheit der götzendienerischen Wenden«.
    Die Wenden waren tapfer und gastfrei und, wie wir uns überzeugt halten, um kein Haar falscher und untreuer als ihre Besieger, die Deutschen; aber in einem waren sie ihnen allerdings unebenbürtig, in jener gestaltenden, große Ziele von Generation zu Generation unerschütterlich im Auge behaltenden Kraft, die zu allen Zeiten der Grundzug der germanischen Race gewesen und noch jetzt die Bürgschaft ihres Lebens ist. Die Wenden von damals waren wie die Polen von heut . Ausgerüstet mit liebenswürdigen und blendenden Eigenschaften, an Ritterlichkeit ihren Gegnern mindestens gleich, an Leidenschaft, an Opfermut ihnen vielleicht überlegen, gingen sie dennoch zugrunde, weil sie jener gestaltenden Kraft entbehrten. Immer voll Neigung, ihre Kräfte nach außen hin schweifen zu lassen, statt sie im Zentrum zu einen, fehlte ihnen das Konzentrische, während sie exzentrisch waren in jedem Sinne. Dazu die individuelle Freiheit höher achtend als die staatliche Festigung – wer erkennte in diesem allem nicht polnisch-nationale Züge?
    Wir sprechen zuletzt von dem Kultus der Wenden. Weil die religiöse Seite der zu bekehrenden Heiden unsere christlichen Missionare selbstverständlich am meisten interessieren mußte, so ist es begreiflich, daß wir über diesen Punkt unserer liutizischen Vorbewohner am besten unterrichtet sind. Die Nachrichten, die uns geworden, beziehen sich in ihren Details zwar überwiegend auf jene zwei Haupttempelstätten des Wendenlandes, die nicht innerhalb der Mark, sondern die eine (Rethra) hart an unserer Grenze, die andere (Arkona) auf Rügen gelegen waren; aber wir dürfen fast mit Bestimmtheit annehmen, daß alle diese Beschreibungen auch auf die Tempelstätten unserer märkischen Wenden passen, wenngleich dieselben, selbst Brennabor nicht ausgeschlossen, nur zweiten Ranges waren.
    Die wendische Religion kannte drei Arten der Anbetung: Naturanbetung (Stein, Quelle, Baum, Hain); Waffenanbetung (Fahne, Schild, Lanze); Bilderanbetung (eigentlicher Götzendienst).
    Die Natur war der Boden, aus dem der wendische Kultus aufwuchs; die spätere Bilder anbetung war nur Natur anbetung in anderer Gestalt. Statt Stein, Quelle, Sonne etc., die ursprünglich Gegenstand der Anbetung gewesen waren, wurden nunmehr Gestalten angebetet, die Stein, Quelle, Sonne etc. bildlich darstellten.
    Die Wenden hatten in ihrer Religion einen Dualismus schwarzer und weißer Götter, einer lichten Welt auf der Erde und eines unterirdischen Reiches der Finsternis. Die Einheit lag im Jenseits, im Himmel.
    An und in sich selbst unterschied der Wende Leib und Seele, doch scheint ihm die Menschenseele der Tierseele verwandt erschienen zu sein. Wenigstens glaubte er nicht an persönliche Unsterblichkeit. Die Seele saß im Blut, aber war doch wieder getrennt davon. Strömte das Blut des Sterbenden zu Boden, so flog die Seele aus dem Munde und flatterte zum Schrecken aller Vögel, nur nicht der Eule, so lange von Baum zu Baum, bis die Leiche verbrannt oder begraben war.
    Die alten Chronisten haben uns die Namen von vierzehn wendischen Göttern überliefert. Unter diesen waren die folgenden fünf wohl die berühmtesten: Siwa (das Leben); Gerowit (der Frühlingssieger); Swantewit (der heilige oder helle Sieger);
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