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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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aufsteigenden Gefühle anzukämpfen.
    »Dachsschwanz, ich möchte, daß du deine Sachen zusammenpackst und mit mir davonläufst.«
    Die Worte hallten wie ein Echo durch den tiefsten Abgrund seiner Seele und kehrten mit Rotluchs' vertrauter Stimme zurück. Verzweifelte Sehnsucht bemächtigte sich seiner. Leise antwortete er: »Ich würde gerne mit dir davonlaufen, Nachtschatten.«
    Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um, schritt zwischen den tuschelnden Zuschauern hindurch und zog das Hornsteinmesser aus Hagelwolkes Gürtel. Hagelwolke warf Petaga einen fragenden Blick zu, doch der schüttelte nur verwirrt den Kopf. Daraufhin machte Hagelwolke keinerlei Anstalten, sie aufzuhalten.
    Nachtschatten hob das Messer über Dachsschwanz' Kopf und schnitt seine Fesseln durch. Keuchend vor Qual fiel er auf die Knie; seine Arme sanken herab wie totes Fleisch.
    Nachtschatten kniete neben ihm nieder und legte einen Arm um seine Schultern. Sie stützte ihn, so daß er sich aufsetzen konnte. »Geht es einigermaßen?«
    »Ich schaffe es.«
    Gebieterisch starrte Nachtschatten Petaga an. »Auch Dachsschwanz geht morgen mit mir nach Hause, mein Häuptling.«

KAPITEL 48
    »Diese Geschichte habe ich noch nie gehört«, sagte Wanderer. »Woher kennst du sie?«
    Der strenge Geruch der Färberdisteln erfüllte die Luft. Wanderer ging Flechte voraus über die oberhalb des Cahokia Creek liegende Geländeterrasse. Geistesabwesend spielte er mit den Fransen seines grünen Hemdes, dabei schweifte sein Blick über die magentaroten Blüten sehnsüchtig zu den am tiefblauen Himmel durchsichtig schimmernden Wolkenbändern hinauf. Kein Windhauch bewegte die Halme der Pflanzen.
    »Die Erste Frau hat sie mir erzählt. Sie sagte, Wolfstöter sei damals beinahe gestorben. Er mußte über die spitz gezackten Rücken der Eisriesen springen und gegen Großvater Eisbär kämpfen. In höchster Not schlich Wolfstöter auf einer Eiskante in eine tiefe Gletscherspalte.
    Der Bär nahm seine Witterung auf und folgte ihm, aber er rutschte ab und stürzte in den Tod. So hat Wolfstöter den Bären überlistet. Er zog dem toten Tier das Fell ab, weil er daraus eine Decke machen lassen wollte, schnitt ihm die Krallen ab und hängte sie an eine Geisterhalskette.«
    Wanderer blinzelte nachdenklich. »So eine Kralle wie die, die dir die Erste Frau gegeben hat? Ich war überrascht, als du sie beim Aufwachen in der Hand hieltest.«
    »Die Erste Frau sagte, sie hoffe, die Kralle würde mich stets daran erinnern.«
    »Woran?«
    ,An das, was Wolfstöter durchmachen mußte, um das Loch im Eis zu finden, das in diese Welt des Lichts geführt hat.«
    Wanderer stützte einen Fuß auf einen Felsen. »Flechte …« Er verstummte. Erst nach kurzem Schweigen fuhr er fort: »Hast du dich entschieden? Weißt du, ob du hierbleiben willst oder nicht?
    Petaga braucht dich dringend. Ich glaube, deine Mutter möchte auch, daß du bleibst.«
    »Und du?«
    »Wenn … wenn du es willst.« Er senkte den Kopf. »Du wirst mir fehlen. Ich hatte gehofft, du würdest mit mir in meine Höhle kommen und bei mir leben. Du bist noch so jung, und bei den Mächten weiß man vorher nie genau, wie es weitergeht. Das Leben in diesem großen Dorf ist ganz anders als in Redweed Village. Ich fürchte, es wird sehr schwer für dich.«
    Unbewußt griff ihre Hand nach dem Steinwolf an ihrem Hals, dann blickte sie auf ihr neues Machtbündel, das am Gürtel ihres purpurroten Kleides befestigt war. Das Bündel enthielt eine große Bärenkralle, ein paar Haarsträhnen von der kahlrasierten Stelle ihres Kopfes und Knochenstückchen, die Wanderer ihrem Schädel entnommen hatte. Wie ein Echo hallte die Stimme der Ersten Frau aus dem Bündel: »Das ist wie beim Überqueren eines Berges. Der Aufstieg ist schwer. Aber ehe du nicht die andere Seite gesehen hast, kannst du nicht alle Dinge der Welt verstehen. Das ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur allerhöchsten Macht der Träume.«
    Flechte beugte sich vor und sog schnüffelnd den modrigen Geruch nach Wasser und Schlamm ein. Im Bach paddelten dicht am Ufer zwei Schildkröten und schnappten nach Insekten. »Wanderer, als ich in der Unterwelt war, bildete ich mir ein, deine Stimme zu hören. Sie klang wie der Wind.«
    Er lächelte. »Oh, sie kam durch das Loch in deinem Kopf. Als ich es ausgesägt hatte, konnte ich direkt zu deiner Seele sprechen. Ich bin gespannt, welche Stimmen du noch hören wirst. Ich habe noch nie jemanden mit zwei Löchern im Kopf
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