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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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zwölf Flaschen Wein verspielt hatte. Ich hob die Karte. Es galt. Jetzt oder nie.
    »One million fifty thousand.«
    Der Auktionator wartete. Alle starrten mich an. Auch die Frau am Telefon. Sie war Mitte dreißig und wirkte so temperamentvoll und mitfühlend wie ein Gletscherkalb. Mir brach der Schweiß aus. Alles über eine Million ging auf meine Kappe. Wenn dies das Ende war, wenn keiner mehr bot, stand ich mit fünfzigtausend Pfund in der Kreide. Mach schon, flehte ich. Du willst sie haben. Rühr dich endlich! Die Frau nickte. Eine Million einhunderttausend waren geboten. Ich bewegte mich nicht, ich atmete noch nicht einmal mehr.
    Der Hammer donnerte auf das Brett. Eine Million einhunderttausend. An den anonymen Telefonbieter. Beifall brandete auf und verebbte schnell wieder. Zu viele Gefühle hatten bei Auktionen nichts zu suchen. Als die Teilnehmer aufstanden und den Raum verließen, tauchte Marie-Luise wieder auf.
    »Du bist ja wohl von allen guten Geistern verlassen«, fauchte sie. »Du hast gesagt, wir beobachten nur, was mit Hagens Vermächtnis passiert. Wie kannst du eine Million bieten? Eine Million? Das geht doch gar nicht! Du musst doch bei diesen Summen irgendetwas hinterlegen!«
    Ich zog einen Scheck aus der Tasche und zerriss ihn vor ihren Augen. Sie schnappte nach den Schnipseln und setzte sie hastig zusammen.
    »Giorgio Emanuele Filiberto ďEdessa? Wer zum Teufel ist das?«
    »Der Gatte von Mercedes Tiffany, duchessa ďEdessa.«
    »Tiffy?«
    Natürlich wusste sie, in welchen Goldtopf Marquardts Tochter gegriffen hatte. Aber diese Sache war unter derartiger Geheimhaltung abgelaufen, dass ich noch nicht einmal Marie-Luise etwas davon erzählt hatte. Diese Kiste Wein, die seit Wochen Schlagzeilen machte, war so etwas wie die Blaue Mauritius für Weinkenner. Ich wusste, dass sie viel Geld wert war. Eine halbe Million, mindestens. Das bezahlten die Camerers aus der Portokasse. Aber ich wollte mehr. Ich wollte, dass Marek in einer anständigen Klinik untergebracht wurde und Janekpolana wieder in Schuss kam. Dafür brauchten Zuzanna und ich das Doppelte. Mindestens.
    »Ich habe Tiffy und ihrem Mann die ganze Geschichte erzählt. Welches Risiko hätten sie gehabt? Eine Kiste Ch â teau Yquem, ich bitte dich. Die kriegst du bei der nächsten Auktion für das Doppelte los.«
    »Ihr wart die Einzigen! Du und diese Frau am Telefon! Ihr habt die Kiste hochgeschaukelt. Um mindestens dreihunderttausend Pfund!«
    »Ja«, musste ich zugeben. »Es hätte auch schiefgehen können. Ist es aber nicht. Sabine Camerer hat gewonnen.«
    »Woher weißt du, dass sie der anonyme Bieter am Telefon war?«
    »Ich habe es vermutet. Eine Familie mit viel Geld, aber ohne Geschichte. Diese Kiste ist Johannishagen. Sie ist zweihundert Jahre Weinbau und Generationen von Hagens, die dort gearbeitet haben und einen der bekanntesten Weinkeller Schlesiens hatten. Außer diesen zwölf Flaschen ist nichts geblieben.«
    »Er war schlau«, sagte sie leise.
    »Ja, das war er.«
    Der Saal hatte sich geleert. Wir erreichten das Foyer, in dem ein noch größerer, noch reicher geschmückter Weihnachtsbaum stand und Tannengirlanden die Marmorsäulen und den vergoldeten Stuck schmückten. Ein Pianist spielte eine verjazzte Version von »Jingle Bells« und erinnerte mich an das Haus Emeritia sowie einige entsetzlich langweilige Kaffeenachmittage, zu denen Herr Trautwein, Frau Reichert und die Brillenschlange in Mutters Loft erschienen waren und für mich Anwesenheitspflicht bestand. Wir stellten uns mit anderen Wartenden vor einem Stehpult an, wo ein livrierter Mitarbeiter den Gästen ihren Tisch im vollbesetzten Palm Court zeigte. Als wir an die Reihe kamen, stutzte er.
    »One moment, please.«
    Er griff zum Telefon und beriet sich mit jemandem. Ich hatte im Internet reserviert, für sagenhafte fünfundsechzig Pfund pro Person. Wahrscheinlich stimmte wieder irgendetwas mit meiner Kreditkarte nicht.
    Der Mann legte auf. Er war jung und eifrig und hatte ein längliches Gesicht, das mich entfernt an Prinzessin Anne erinnerte.
    »Your tea will be served in the Trafalgar Suite.« Er winkte einen Pagen heran.
    »Trafalgar Suite?«, fragte ich.
    Mir schwante Böses. Davon hatte das Internet nichts gesagt. Als wir den Lift verließen und dem Pagen in eine überbordend luxuriös möblierte Raumflucht folgen sollten, blieb ich in der Tür stehen.
    »No. This is not my reservation.«
    Nicht meine Reservierung. Ich hatte Touristentee gebucht. Im Palm Court. Eine
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