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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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drehte mich zu ihr um. »Ich dachte, Sie machen Witze. All dies für eine Kiste Wein?«
    »Sie haben ja gar keine Ahnung«, zischte sie empört. »Letztes Jahr wurde eine einzige Flasche Sauternes dieses Jahrgangs für fünfundsiebzigtausend britische Pfund versteigert. Eine Flasche! Und da drin sind zwölf.«
    »Ist es so eng bei Ihnen, dass Sie dafür Menschen getötet haben?«
    Nicky holte aus und knallte mir eine. Ich ließ es reglos geschehen, auch wenn ich nach Johns Schlag das Gefühl hatte, mein Kopf würde explodieren.
    »Wir haben niemanden getötet. Niemanden!«
    »Lass das, Nicky.« John merkte, dass seine Gattin kurz davor stand, die Nerven zu verlieren.
    »Wie sind Sie dann zu dem Schlüssel gekommen? Er hat Helmfried Hagen gehört.«
    John hob ihn hoch und betrachtete ihn eingehend. Dann warf er ihn Jacek zu, der jedoch keine Bewegung machte, um ihn aufzufangen. Der Schlüssel landete im Dreck.
    »Jetzt gehört er Ihnen. Holen Sie die Kiste raus.«
    »Sie haben Krystyna getötet«, sagte ich. »Nachdem Ihr Bruder versagt hatte. Warum musste sie sterben? Sie hätten ihr bloß ein Angebot machen müssen.«
    John ging in die Knie. Wir befanden uns nun auf Augenhöhe.
    »Warum? Weil sie den Hals nicht voll genug bekommen hat.« Er sah zu Jacek, der gefährlich und finster wie ein Riese im Halbdunkel stand. »Weil ihr Polacken nie den Hals voll kriegt. Euch fällt der Reichtum in den Schoß, und ihr lasst alles verrotten und verkommen. Aber die Nazikeule schwingen, wenn jemand wagt, die Wahrheit zu sagen. Das könnt ihr. Es war nur ein kleiner Stoß. Aber er hat eine Menge Probleme gelöst.«
    Ich wusste, ich hatte keine Chance. Trotzdem packte ich seinen Kopf, hob blitzschnell das Knie und hieb seinen Schädel dagegen, dass es krachte. Am liebsten hätte ich ihn durch den Holzdeckel hindurch in dem 1811er Château Yquem ersäuft. Noch bevor er schreien konnte, trat Jacek zu. Er erwischte John an der Schulter. Die Pistole wurde weggeschleudert – direkt vor Nickys Füße. Ich wollte danach greifen, leider war sie schneller und trat mir auf die Hand. Der Schmerz raste durch meinen ganzen Körper, doch das Knacken meiner Fingerknochen war nicht lauter, als hätte sie ein paar trockene Zweige unter ihren Schuhen. Sie schnappte die Waffe, sprang zurück und zielte abwechselnd auf Jacek und mich, der ich zusammengekrümmt bis zu den Knien in der Grube stand und glaubte, vor Schmerz ohnmächtig zu werden.
    »Es reicht! Genug! John, zu mir.«
    Ihr Mann kam stöhnend auf die Beine. Er blutete aus der Nase. So wie er sprach, klang es, als ob auch ein paar Zähne locker wären.
    »Holen Sie die Kiste raus. Aber vorsichtig!«
    Ich konnte nur mit einer Hand zugreifen. Irgendwie gelang es mir mit Jaceks Hilfe, sie aus dem Schacht zu hieven und John vor die Füße zu schieben. Es klirrte leise.
    »Vorsicht!«, schrie Nicky. »Tragen Sie sie zum Wagen.«
    Ich hob die Kiste hoch. Drei Menschen waren dafür gestorben. Ein Kind zu Tode verängstigt. Marek, den die Gier fremder Leute zum Mörder gemacht hatte. Es war eine beschissene Bilanz für eine Kiste Wein. Die beiden hatten gewonnen.
    Nein.
    Hatten sie nicht.
    Mit einem Schrei, so laut, dass er bis nach Cigacice zu hören sein musste, schwang ich die Kiste in die Höhe. Nicky riss die Augen auf. Sie taumelte zurück, und im Bruchteil einer Sekunde erkannte sie, was ich vorhatte. Sie hob die Waffe und schoss, doch Jacek warf sich auf mich. Gemeinsam gingen wir zu Boden. Die Kiste zerschellte mit einem ohrenbetäubenden Krach. Ich griff nach dem Stemmeisen, holte aus und zerschmetterte Johns Kniescheibe, der brüllend wie ein Ochse zu Boden ging. Nicky stürzte sich nicht etwa auf ihren Mann, sondern auf die zerbrochene Kiste und schrie: »Nein! Nein!«, und ähnlich sinnloses Zeug, aber es war zu spät. Das Holz war geborsten, Wein, duftend und süß, versickerte mit einer überwältigenden Note von Aprikose, Karamell und Rosen im Boden.
    Dann sah ich, wie Jacek versuchte, auf die Knie zu kommen. Ein dunkler Fleck breitete sich auf seinem Hemd aus. Ich ließ das Eisen fallen, und um mich herum brach die Hölle aus. John brüllte und wand sich im Dreck. Nicky kreischte schrill, wälzte sich herum, zerschnitt sich die Hände auf der Suche nach einer heilgebliebenen Flasche, doch alles war kaputt, keine einzige hatte den Sturz überstanden. Mit blutenden Händen fuhr sie durch die Scherben und rutschte auf Knien durch das klebrige Nass. Sie kam mir in diesem Moment
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