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Unverkäuflich!

Unverkäuflich!

Titel: Unverkäuflich!
Autoren: Bobby Dekeyser
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Hand und lud mich zum Kartenspiel ein.
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    Der Fußball bot einen Notausgang, wieder einmal. Ein Bekannter erzählte mir, dass Royale Union Saint-Gilloise, ein Arbeiterverein aus einem Brüsseler Vorort und seinerzeit in der zweiten Liga unterwegs, einen Aushilfstorwart suchte. Ich stellte mich vor, absolvierte ein Probetraining  – und wurde gleich unter Vertrag genommen. Kein Wunder, denn für einen Monatslohn von umgerechnet fünfhundert D-Mark spielte kaum jemand. Mir war nur wichtig, dass ich die Verbindung zum Fußball nicht verlor. Ich richtete mir in der Nähe des Brüsseler Stadtparks eine Garage als Wohnzimmer und Fitnessraum ein. Union Saint-Gilloise hatte bereits drei Torhüter unter Vertrag  – eigentlich war ich so nützlich wie eine Ersatzeckfahne. Der Stammkeeper, siebenunddreißig, er hätte mein Vater sein können, galt als Legende, als Liebling der Fans. Er lächelte müde, als ich zum ersten Training erschien, und murmelte verächtlich: »Ach, unsere kleine Nachwuchshoffnung.« Nach dem ersten Training murmelte er nichts mehr, zumindest nichts Belustigtes, denn er wusste, dass ihm fortan Konkurrenz drohte. Ich sprang in jedem Training durchs Tor, als ginge es um die Rettung der Stadt Brüssel samt aller Außenbezirke. Nach vier Wochen war ich in der Hierarchie der Torleute auf den zweiten Platz aufgestiegen und saß während der Ligaspiele auf der Bank. Union Saint-Gilloise zeigte sich ungemein großzügig und hob mein Gehalt auf sagenhafte tausend D-Mark an, was größtenteils für die Fahrten von der Kaserne an der Küste in die Hauptstadt draufging. Wenn ich nicht trainierte, saß ich am Steuer meines rostigen Golfs, bewachte die Kaserne oder robbte durch Wälder. Obendrein besuchte ich nach den Trainingseinheiten das Fitnessstudio von Jean-Claude van Damme, dem Kampfsporthelden mit dem stieren Blick. Meine Chance auf einen Platz im Tor kam schon wenige Partien später, als der Stammtorwart einen gegnerischen Stürmer mit der Grazie einer Dampfwalze umrannte und dafür die rote Karte sah. Elfmeter! Ich trabte aufs Spielfeld, stellte mich auf die Torlinie, sah den Schützen an, erwartete seinen Schuss, ich sprang. Und hielt, hielt den Ball sogar fest. Das Stadion tobte. Wer nun aber meint, dass ein klassisches Fußballermärchen beginnt, vom Jungen aus der Kaserne, der sich unbeirrt nach oben faustete, der irrt. »Du darfst dir nichts erlauben«, raunte mir ein Mitspieler gleich nach Schlusspfiff zu. Der Keeper lauerte wie ein alter Wolf darauf, mich wieder aus dem Tor zu vertreiben, die Fans hatte er auf seiner Seite  – was auch an mir lag, denn fröhlich ins Publikum zu winken, war damals nicht meine Sache, dafür war ich viel zu angespannt. Auch der Trainer mochte mich nicht besonders und im Team war ich, der ehrgeizige Neuling, zwar akzeptiert, aber nicht beliebt. Ich hielt fehlerlos, Spiel um Spiel.
    Einige Partien später, ein wichtiges Pokalspiel gegen Charleroi, fünfzehntausend Zuschauer, live im Fernsehen übertragen: Kurz vor dem Ende flatterte dieser Schuss auf mein Tor zu, aus großer Entfernung, ich sah ihn lange kommen, doch ich reagierte nicht, ich blieb auf der Stelle stehen, als seien meine Füße am Boden verklebt. Der Ball schlug neben mir mit einem Klatschen im Netz ein, ein Stöhnen ging durchs Stadion und viele Fans pfiffen. In der Kabine hing scharfer Schweißgeruch, das Klackern von Stollenschuhen auf Kachelboden war zu hören, der Trainer, ein Typ mit roter Haarbürste und dem Charme meines Kompaniefeldwebels, sagte zu mir: »Dekeyser, du bist raus.«
    »Was ist los?«, fragte ich.
    »Du bist ab sofort wieder die Nummer vier«, entgegnete er. Und dies nach Wochen, in denen ich manches Spiel mit meinen Paraden gerettet hatte! Es war ungerecht, es war rücksichtslos, es war unglaublich. Ich fühlte, wie die Wut ganz langsam in mir aufstieg, denn mit Ungerechtigkeiten werde ich nur schwer fertig. Dann flog mein Stollenschuh, den ich plötzlich in meiner Hand spürte, quer durch den Raum. Als Nächstes erinnere ich noch, dass mich mehrere Mitspieler davon abhielten, meinen Schuh, der an der Wand gelandet war, zurückzuholen und nachzuprüfen, ob ich den Trainer doch treffen konnte. So viel zu meiner Laufbahn bei Royale Union Saint-Gilloise.
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    Was ich während der Zeit als Fußballer lernte, begleitet mich bis heute. Es sind wertvolle Erfahrungen: Wenn einen andere bejubeln, ist man niemals so gut, wie einem alle weismachen wollen. Wenn einen alle ausbuhen, ist
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