Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teuflische Schwester

Teuflische Schwester

Titel: Teuflische Schwester
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:
Nachtkästchen
stand. Gleichzeitig packte er mit einer Hand den Hörer
und schaltete mit der anderen das Licht an. Er mußte den
Notruf wählen.
Da erstarrte er.
Der Hörer fiel wieder auf die Gabel. Etwas auf dem
Kissen war ihm ins Auge gefallen. Entsetzt starrte er
darauf.
Es war Teris abgehackte Hand. Die blutroten Finger
hatten sich um eine Perlenkette gekrallt.
Die Perlen, dämmerte es ihm, die sie angeblich nie
erhalten hatte.
Er starrte sie immer noch an und versuchte ihre
Bedeutung zu erfassen, als das Telefon laut neben ihm
losklingelte.
Er wollte es ignorieren, das herrische Schrillen einfach
aus seiner Wahrnehmung verbannen. Erst mußte er sich
einen Reim auf all diese Bruchstücke machen.
Aber das Telefon gab keine Ruhe. Schließlich nahm er
doch den Hörer ab.
»H-hallo?« Er war fast nicht zu verstehen, so sehr
zitterte seine Stimme. Einen Augenblick lang herrschte
Schweigen. Dann meldete sich am anderen Ende der
Leitung ein fast genauso zittriges Flüstern.
»P-Papa? Ich bin’s, Melissa.«

Epilog
    Melissa lief ein Schauer über den ganzen Körper, sie war
sich aber nicht sicher, ob aus Furcht oder aus Vorfreude.
Obwohl sie nichts sagte, merkte Charles Holloway seiner
Tochter die plötzliche Verkrampfung an. Er warf ihr vom
Fahrersitz des Mercedes einen Seitenblick zu. »Noch ist es
nicht zu spät fürs Umkehren, mein Schatz. Es besteht
keinerlei Grund, dorthin zu gehen.«
    Melissa schüttelte den Kopf. »Wir haben sehr viele
Gründe, hinzugehen, Papa«, erwiderte sie. »Wir können
doch nicht einfach so tun, als wäre dort nie etwas
geschehen.«
    Seit fünf Jahren waren beide nicht mehr in Secret Cove
gewesen. Wie aus heiterem Himmel hatte sie ihm diesen
Sommer einen Besuch beim Vollmondball vorgeschlagen.
Zunächst hatte er sich glattweg geweigert.
    »Keine zehn Pferde bringen mich noch einmal dorthin«,
hatte er gesagt. »Und ich verstehe auch nicht, was du dort
noch willst.«
    Sie hatte ihn jedoch nur wissend angelächelt. »Und wenn
ich dich bitte?«
Also waren sie gefahren. Cora war in New York
zurückgelieben. »Ohne mich«, hatte sie mit einem
traurigen Kopfschütteln gemeint, als sie ihr das Ziel
genannt hatten. »Wenn du unbedingt die alten Wunden
aufreißen willst, kann ich dich wohl nicht daran hindern.
Aber ich habe genug Kummer gehabt, und er ist mit
diesem Ort untrennbar verbunden.« Ihre alten Augen
hatten sich in die von Charles gebohrt. »Und Ihnen hat er
auch kein Glück gebracht.«
Melissa hatte sich jedoch nicht davon abbringen lassen.
»Ich will es nur sehen; leben möchte ich dort nicht mehr«,
hatte sie erklärt. Ihr hatte viel daran gelegen, daß sie ihre
Gefühle richtig verstanden. »Ja, ich glaube, ich würde nicht
einmal eine Nacht dort verbringen wollen. Aber ich will
einfach die Gewißheit haben, daß ich dorthin gehen kann.
Ich habe mich viel zu lange vor allem versteckt. Das muß
jetzt endlich vorbei sein. Und glaubt es oder glaubt es nicht:
Ich will immer noch zum Vollmondball gehen. Du hast es
mir versprochen Daddy, weißt du noch? Du wolltest den
ersten und den letzten Walzer mit mir tanzen.«
Und so erblickten sie jetzt zum erstenmal seit jenem
schrecklichen Sommer vor fünf Jahren wieder das
Ortsschild von Secret Cove.
Charles sah seine Tochter fragend an. »Fünf Jahre lang ist
es uns gelungen, so zu leben, als wäre nie etwas gewesen«,
bemerkte er. »Warum machen wir nicht einfach so weiter?«
Melissa drückte ihm liebevoll die Hand. »Du mußt ja
nicht hingehen, wenn du nicht willst. Du brauchst mich
nur aussteigen zu lassen, und dann gehe ich allein ins
Dorf. Ich schaue mir noch einmal das Haus an und gehe
dann zum Ball. Du kannst dich in der Zeit in die Bar
setzen und deinen Kummer in Schnaps ertränken.«
Charles setzte eine übertrieben gramgebeugte Miene auf.
»Du weißt genau, daß ich so etwas noch nie getan habe!«
rief er.
»Das Recht dazu hättest du zumindest gehabt. Was
mußtest du nicht alles in der Ehe mit Mutter ertragen!«
Sie biß sich auf die Lippen. Allzuoft hatten sie darüber
schon gesprochen, als daß sie das Thema schon wieder
aufwärmen wollte. Die Erinnerung an ihre Mutter war für
beide immer noch so schmerzlich, daß sie ihren Namen
nach Möglichkeit nicht mehr erwähnten.
Melissa sah neugierig zum Fenster hinaus. »Das Dorf
verändert sich wohl nie, was meinst du?« fragte sie.
»Das macht seit jeher seinen Reiz aus. Ein Hort der
Beständigkeit in einer sich stetig ändernden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher