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Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie

Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie

Titel: Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
Autoren: Katharina Hrsg Munk
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Grund für bestimmte Phänomene, z. B. warum sich bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen entwickelt haben, d. h. welchen adaptiven Wert sie haben. Verhaltensökologen sind sich beispielsweise noch immer nicht einig, warum ein Großteil der Individuen bei sozialen Insekten darauf verzichtet, selber Nachkommen zu produzieren. Eine andere bekannte Frage dieses Typs ist auch, warum Zebras Streifen haben. Beide Typen von Fragen werden einander als proximate Fragen oder „Wie?“-Fragen (how-questions) und als ultimate Fragen oder „Warum?“-Fragen (why-questions) gegenübergestellt. Grundsätzlich kann ein biologisches Phänomen erst dann als richtig verstanden gelten, wenn sowohl die Fragen nach den Mechanismen als auch die Frage nach seiner Evolution befriedigend beantwortet wurden.
    Die generelle Vorgehensweise in der ökologischen und evolutionären Forschung gleicht der in anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen. Am Beginn jeder Untersuchung steht die Beobachtung eines Phänomens und die Aufstellung einer Hypothese zur Erklärung des Phänomens, basierend auf bisherigen Kenntnissen oder theoretischen Überlegungen. Zur Überprüfung einer Hypothese werden Daten im Freiland erhoben, Experimente durchgeführt und/oder mathematische Modelle erstellt. Entsprechen die Ergebnisse dieser Untersuchungen den Vorhersagen aus der Hypothese, so wird diese gestützt. Treffen die Vorhersagen nicht zu, so wird die Hypothese verworfen und es wird eine neue, alternative Hypothese entwickelt, die ihrerseits in weiteren Untersuchungen überprüft werden muss.
    Schon lange wissen Ökologen beispielsweise, dass Massenauftreten von Schädlingen (z. B. Borkenkäfer, Abb. 1. 1 ) besonders in artenärmeren Lebensgemeinschaften vorkommen, selten aber in artenreichen tropischen Wäldern. Diese Beobachtung wurde mit der Hypothese erklärt, dass artenreiche ökologische Lebensgemeinschaften, d. h. Gemeinschaften mit größerer Biodiversität, stabiler sind als artenarme Gemeinschaften. Diese Hypothese wird momentan in zahlreichen Freilandexperimenten überprüft, in denen die Stabilität von künstlich angelegten Ökosystemen mit unterschiedlicher Artenvielfalt gemessen wird. Im Allgemeinen scheinen diese Arbeiten die Hypothese zu bestätigen. Doch erst wenn eine Hypothese in vielen, unabhängigen Untersuchungen bestätigt werden konnte, wird sie in das Theoriengebäude der Wissenschaft übernommen.

    Abb. 1. 1 Borkenkäferkalamität. Wälder der gemäßigten Breiten mit einer geringeren Artenvielfalt sind stärker von Störungen wie dem Massenauftreten von Borkenkäfern bedroht als artenreiche tropische Wälder. (Foto von Lukas Munk, Idstein.)
    Wie kaum in anderen biologischen Disziplinen müssen Ökologen und Evolutionsforscher bei ihrer Arbeit Erkenntnisse aus allen Bereichen biologischer Forschung zusammenbringen , von Grundlagen in Botanik, Zoologie und Mikrobiologie zu Systematik, Physiologie, Verhaltensforschung und Molekularbiologie. Entsprechend sind die verwendeten Methoden vielfältig und umfassen das gesamte Repertoire moderner biologischer Forschung einschließlich „klassischer“ Methoden. Zusehends wichtiger wird die Molekulargenetik, z. B. zur Erfassung der genetischen Variabilität von Individuen in einer Population oder zur Erstellung von Stammbäumen in der Evolutionsforschung. Eine bedeutende Rolle spielen darüber hinaus mathematische Modelle, mit denen versucht wird, die wesentlichen Faktoren bei komplexen Problemen zu beschreiben.
    Der moderne Mensch lebt heute meist in einer von ihm selbst gestalteten Umwelt in Städten. Der ökologische Zustand von Wäldern, Flüssen und Bergen erscheint wie ein weit entferntes Problem. Der Schutz der Natur wird eher als Luxus angesehen, welches sich nur reiche Nationen leisten können (und wollen) und evolutionäre Prozesse scheinen der Vergangenheit anzugehören. Dieser Eindruck ist falsch. Alle Menschen, unabhängig davon wo sie leben, hängen direkt von Nahrung, frischem Wasser, frischer Luft und anderen Leistungen ab, welche durch die Ökosysteme der Erde erbracht werden (Ecosystem services).
    Allerdings werden die Ökosysteme durch menschliche Aktivitäten permanent so beeinflusst, dass sie dazu in immer geringerem Umfang in der Lage sind. Nach dem Millenium Ecosystem Assessment, dem Bericht einer von den Vereinten Nationen eingesetzten Kommission, werden 2/3 der vom Menschen genutzten Serviceleistungen der Natur nicht mehr in dem Maß erbracht wie früher. Dabei
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