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Taqwacore

Taqwacore

Titel: Taqwacore
Autoren: Michael Muhammad Knight
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fast wie ein kleiner Tod. Jehangir stand da und starrte über die gegenüberliegenden Dächer und über sie hinaus, als läge in der Ferne irgendetwas , ich weiß nicht, was, und ich hätte gerne gewusst, was er sah, doch ich konnte meine Augen nicht von ihm abwenden. Ich kann es nur als Taqwa bezeichnen, was von seiner sublimen Gestalt ausging: Die Haare strebten himmelwärts, die Nieten an seiner schwarzen Lederjacke reflektierten die Sonne, die Gitarre baumelte an ihrem Gurt, als er sie losließ. Ich sah ihn nur an und mein ganzer Körper war von so etwas wie einer heiligen Nervosität erfüllt, bis er sich umdrehte und mich bemerkte.
    »Fuck«, sagte er lächelnd und brachte uns mit seiner rauen, kratzigen Stimme, die klang, als hätte er die ganze Nacht ketterauchend im Eisregen gestanden, wieder auf die Erde zurück – als wäre er Tim Armstrong mit einem Pandschabi-Akzent. »Assalam, Mann, was liegt an?«
    Nun drehte sich auch Fasiq um.
    »Shit! Yusef Ali, wie heißt die frohe Botschaft?«
    »Wa aleikum assalam«, sagte ich zu Jehangir, schüttelte ihm die Hand und wir umarmten uns vorsichtig, die Gitarre zwischen uns. Dann lehnte ich mich rüber zur Dachkante, um Fasiqs ausgestreckte Hand zu fassen.
    »Yusef, willst du?«, fragte Fasiq und bot mir den Joint an.
    »Ich bleibe sauber.« Wie lange kannte dieser psychotische Haschaschin mich jetzt und wie oft hatte er mir schon was angeboten? Wenn ich so heftig reagieren würde wie Umar, dann hätte der Junge es längst kapiert.
    »Maschallah«, antwortete Fasiq. Er nahm einen tiefen Zug und sah wieder auf seinen Koran hinunter.
    Da waren wir also, drei Idioten draußen auf dem Dach: Jehangir mit seiner Gitarre, Fasiq mit seinem Gras und dem Kitab, und ich mit den Händen in den Taschen.
    »Das ist Bid’a«, sagte eine Stimme im Inneren des Hauses. Umar lehnte sich aus dem Badezimmerfenster und pulte in heldenhafter Pose abgeplatzte Farbe vom Fensterrahmen. Egal, was der Kerl tat, er sah immer tough dabei aus.
    »Okay«, gab Jehangir zurück, »dann ist es eben Bid’a.« Umar wurde durch den Anblick Fasiq Abasas abgelenkt, der an der Dachkante saß, den Koran las und dabei rauchte. Fasiq sah Umar an. Meine Blicke schossen von einem zum anderen, als wäre ich ein Zuschauer bei einem telepathischen Tennismatch. Umar mit seiner eintätowierten 2:219, Fasiq, der mit geschürzten Lippen den Rauch drinnenhielt. »Weißt du was?«, sagte Jehangir und brach das Schweigen, »nur bei den Muslimen bedeutet ›Neuerung‹ etwas Schlechtes.«
    »Vergiss nicht, dass du auch Muslim bist«, sagte Umar und wandte sich von Fasiq ab. »Oder nicht?«
    »La ilaha illa Allah«, antwortete Jehangir. »Zeit für Asr.« Fasiq ließ den Rauch ausströmen und wir kletterten durch das Fenster zurück ins Haus.
    Ich verrichtete Wudu in demselben Waschbecken, das Amazing Ayyub eben benutzt hatte. Als ich nach unten kam, hatten Umar und Jehangir fast den ganzen Wohnzimmerboden freigeräumt und die Gebetsteppiche ausgelegt, vier in einer Reihe und einen direkt davor, gegenüber dem großen Loch in der Wand. Obwohl sie unterschiedliche Farben hatten und verschieden eingefasst waren, sahen die Teppiche alle ziemlich gleich aus, wenn sie so nebeneinanderlagen. Die al-Aqsa-Moschee in Grün und Gold, die Moschee des Propheten in Braun und Rot, die Kaaba in Grün und Gold und noch eine grün-goldene al-Aqsa. Einige Teppiche hatten Etiketten, die verrieten, woher sie stammten. Türkei, Ägypten, Saudi-Arabien, Pakistan. Auf dem Teppich des Imans war die al-Aqsa in Blau und Gold. Wir waren zu fünft: Ich, Jehangir, Umar, Fasiq und Amazing Ayyub, unsere ausgezogenen Schuhe lagen um die Teppiche herum verstreut.
    »Wer leitet das Gebet?«, fragte ich.
    »Fasiq«, schlug Jehangir vor, aber ich wusste, dass er damit nur Umar provozieren wollte.
    »Er steht unter Drogen, verdammt noch mal«, blaffte Umar zurück. »Ich werde nicht hinter ihm beten.«
    »Fick dich, Umar«, sagte Fasiq und wandte sich Ayyub zu. »Ayyub?« Amazing Ayyub, immer noch ohne T -Shirt, warf die Fäuste und die Knie in die Luft und vollführte einen dämlichen, hektischen Pogo, der fast das ganze Haus erschütterte.
    »Wer kennt den Koran am besten?«, fragte ich. Fasiq blickte auf den Fußboden, dessen Bierflecken und Brandlöcher teilweise von unseren Teppichen verdeckt wurden.
    »Das wäre dann wohl Umar«, räumte Jehangir ein, der immer noch seine nietenbesetzte Lederjacke trug.
    »Hier drinnen riecht es beschissen«, sagte
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