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Talivan (German Edition)

Talivan (German Edition)

Titel: Talivan (German Edition)
Autoren: Andrea Tillmanns
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au s gewählt werden sollte, würde mit Sicherheit sie es sein. Doch wusste Fiona auch, wie viele der kleineren Türme es gab, und ein noch unen t decktes Juwel mochte in jedem dieser genauso sehnsüchtig wie sie selbst auf die Gehilfen der Meister warten. Sie konnte sich einfach keine Fehler erlauben. Nur drei Schüler würde Sephonis aufnehmen; und zur endgültigen Au s wahl in den Grünen Turm mitgenommen zu werden, würde sie der Aussicht auf Erfolg noch nicht viel näherbringen. Sie atmete tief ein und wieder aus, bevor sie sich entschlossen einem anderen Lied zuwandte. Auch wenn die Kunst der Gaukler nicht die ihre war, so b e merkte sie doch immer wieder Ähnlichkeiten, wie auch bei diesem Lied: Die Töne sprachen von den Schlachten, in die ein Herrscher, den Verstand umrankt von Irrsinn, sein Heer führte, bis auch der Letzte seiner Mannen fiel. Manche der anderen Schüler sangen den Text dazu, doch Fiona hatte längst einges e hen, dass ihre raue und an den unpassendsten Stellen brechende Stimme nicht dazu angetan war, zu beschreiben, was die Musik weit besser erzählen konnte. So musste sie, wo andere nach der Laute griffen und zu singen begannen, z u nächst den Geist des Liedes atmen, fühlen, um ihm durch ihre Finger Leben einzuhauchen. Sie musste Wut, Liebe, Leid und andere Gefühle ausdrücken können, ohne sich von ihnen mitreißen zu lassen.
    Während ihr Instrument von nutzlosen Schlachten in sin n losen Kriegen sang, wanderte ihr Geist kurz zurück in eine Zeit, da ihr selbst ein Leben als Soldatin erstrebenswert e r schienen war. Ein leises Lächeln schlich sich unbemerkt auf ihre Lippen, da sie an das hölzerne Schwert dachte, das ihr Vater ihr gezimmert hatte, nicht mehr als ein Kinde r spielzeug und doch Inbegriff des Lebens, das sie damals hatte führen wollen. Als sie zum ersten Mal ihre ältere Schwester in der typischen Bekleidung aus weichem und doch schwerem Leder gesehen, zum ersten Mal das Kettenhemd und die polierten Armschienen voll eh r fürchtigem Staunen betastet hatte, war ihr nichts in der Welt wünschenswerter erschienen, als es Kalana gleichz u tun. Mit i h rem Bruder Jend, der einen Sommer mehr zählte als sie, hatte sie sich auf den Wiesen hinter ihrem Elternhaus G e fechte geliefert, die spielerisch begannen und mit der Zeit immer verbissener wurden, und sie hatte erste Prellungen und Abschürfungen davongetragen und selber fester zugeschlagen, bis sie Jend eines Tages so unglüc k lich getroffen hatte, dass noch heute gleich über seinem linken Auge eine Narbe zu sehen war. Was die nur kurz währenden Schme r zen, die sie selbst des Öfteren gefühlt hatte, nie vollbracht hatten, das hatte das ungläubige En t setzen geschafft, da sie begriff, wie schwer sie ihren Bruder hätte verletzen kö n nen. Ihre beiden Holzschwerter hatten sie und Jend noch am gleichen Abend verbrannt, ohne dass es einer Ermahnung ihrer Eltern bedurft hätte. Seither b e trachtete Fiona die Arbeit ihrer Schwester mit anderen Augen, wenn auch nicht ohne manchmal den giftigen Stachel des Neides zu spüren, dass Kalana wenigstens ihren Platz in dieser Welt kannte.
    Sie rieb sich, ohne darüber nachzudenken, die kleinen Schweißperlen von den Händen, die die rasche B e wegung der Finger erzeugt hatte, wo ihre Haut fest auf dem glatten Holz der Laute lag. Ein letzter Abend, der ihr nur noch blieb bis zu der ersten Entscheidung; einer Entscheidung, die ihr vielleicht den einzigen Traum nehmen konnte, den sie sich noch bewahrt hatte. Nein, verbesserte sie sich, es war mehr als ein Traum. Träume kamen und gingen, Wü n sche wurden durch andere ersetzt, doch ein Ziel musste man haben im Leben. Was sonst unterschied einen Me n schen von den Schafen auf der Weide, die zufrieden waren, hatten sie Futter und hielt man die Wölfe von ihnen fern?
    Das nächste Lied, das sie nach kurzer Zeit der B e sinnung spielte, handelte von einem Zauberlehrling, der for t während die Anrufungsformeln für die fünf Elemente verwec h selte – wollte er ein Feuer löschen, rief er den Wind, der es noch anfachte; versuchte er dagegen den Zauber des L e bens, der den Blumen zu rascherem Wachstum verhelfen sollte, so rief er das Wasser, das die Blüten e r stickte und zu Boden drückte. Obwohl Jend ihr erklärt hatte, dass die en t sprechenden Formeln zu eindeutig seien, als dass man sie ve r wechseln könne, und zudem nur die Konzentration des Zauberers auf das Gewünschte verstärken sollten, so moc h te sie dieses Lied
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