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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland
Autoren: Kai Meyer
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die dampfende Flüssigkeit.
    »Erst reden wir«, sagte er. »Dann wollen wir Wein trinken.«
    »Wie Ihr wünscht, mein Gebieter.«
    Er hob den silbernen Teebecher an die Lippen, verzog das Gesicht und murmelte: »Zu heiß.«
    Sabatea blickte auf die Oberfläche ihres eigenen Tees. Ihr Instinkt, in langen Jahren gereift, suchte ganz von selbst nach Anzeichen von Gift.
    Unbedenklich. Nur Tee.
    »Wir zittern«, sagte der Kalif. »Wir zittern beide.«
    »Verzeiht mir, Herr.«
    Er saß da und sah sie an. Sie erwiderte seinen Blick aus ihren weißgrauen Augen und wartete. Andere wichen ihr irgendwann aus. Fühlten sich unwohl unter ihren Blicken. Redeten hastig, ohne nachzudenken.
    Der Kalif tat nichts dergleichen. Sprach lange Zeit kein Wort.
    »Verzeiht mir«, sagte sie wieder.
    Er nickte langsam. »Das habe ich längst.«
    Dann schwiegen sie abermals, kreuzten ihre Blicke über Kelchen mit blutrotem Wein.

 
Die Sturmkönige
 
 
    Tief in der Wüste.
    Ein Lager aus Zelten, verborgen zwischen bizarren Felsformationen.
    In einem davon, so unscheinbar wie alle anderen, wartete Junis auf den Anführer der Sturmkönige. Die Plane am Eingang war geöffnet, dahinter ein Dreieck aus Sternenhimmel. Draußen fauchten Wirbelstürme unsichtbar in der Dunkelheit.
    Das Zelt war genügsam eingerichtet. Eine Bettstatt aus groben Decken und Kissen, daneben ein Bündel, vermutlich mit Kleidung. Ein weiteres, aus dem gerollte Pergamente ragten. Landkarten. Oder Beschwörungen.
    Junis war nervös. Er konnte jeden Muskel in seinem Körper spüren, vor allem in den Schultern und Oberarmen, als wollten sie ihn zu Boden drücken. Sein Magen fühlte sich hart und verkrampft an. Er hatte Mühe, sich zu konzentrieren.
    Es war sein dritter Tag im Lager der Sturmkönige. So nannten sie sich selbst, und Stolz schwang dabei mit. Sie hatten allen Grund dazu.
    Mehr als zweihundert Menschen waren aus den Pferchen der Roch gerettet worden. Die meisten hatten in den Bergen bleiben wollen, wo sie sich trotz allem sicherer fühlten als in der offenen Wüste. Die Sturmkönige hatten sie auf einem grünen Hochplateau abgesetzt; sie schienen froh, die Menschenlast loszuwerden. Ihr Mitleid mit jenen, die sie in der Hölle der Schlacht hatten zurücklassen müssen, hielt sich in Grenzen. Die Sturmkönige waren harte Männer und Frauen, sonnengegerbt vom Leben in der Wüste, ausgelaugt von der Kraft, die es sie kostete, auf den Stürmen zu reiten.
    Zweiunddreißig Männer aus den Pferchen hatten sich ihnen anschließen wollen. Junis war einer von ihnen. Er wusste nicht, was aus Sabatea und Tarik geworden war. Tot, vermutete er und war über sich selbst erstaunt. Sachlichkeit war bislang keine seiner glänzendsten Eigenschaften gewesen. Aber wenn er an die beiden dachte, dann versuchte er, distanziert zu bleiben. Nichts an sich heranzulassen, kein Bedauern, keine Trauer. Es gelang ihm nicht immer, aber er lernte dazu. Nach nicht einmal drei Tagen schien die kühle Überlegenheit der Sturmkönige auf ihn abzufärben.
    Die Männer, die um Aufnahme in die Reihen der Rebellen gebeten hatten, hausten getrennt von den anderen in einem abgeteilten Areal des Lagers. »Nur ein neuer Pferch«, hatte jemand verächtlich gemurmelt und mancherlei Zustimmung geerntet. Aber Junis verstand, weshalb man sie auf Distanz hielt. Die Sturmkönige trauten niemandem, schon gar keinen heimatlosen Nomaden, die Gott weiß wo von den Dschinnen aufgegriffen und verschleppt worden waren. Oft schien es, als vertrauten sie nicht einmal einander, ein Haufen Einzelgänger, die vom Schicksal zu einer Armee zusammengeschweißt worden waren.
    Vielleicht wären sie in besseren Zeiten Räuber gewesen. Oder Revolutionäre. Heute aber waren sie Kämpfer gegen die Allmacht der Dschinne. Und ganz gleich, was er von ihren charakterlichen Mängeln halten mochte, Junis war fest entschlossen, einer von ihnen zu werden.
    Es hatte mit Rache zu tun. Rache für Sabatea und seinen Bruder, falls sie in der Höhle gestorben waren. Aber auch mit der Hoffnung, sie aufzuspüren, falls sie noch lebten. Auf sich allein gestellt hätte er keine Chance gehabt, ohne fliegenden Teppich, womöglich ausgesetzt unter Nomaden irgendwo in der Wüste. Wenn es ihm aber gelänge, ein Sturmkönig zu werden, Macht über die Winde zu erlangen, dann konnte er seine Hoffnung bewahren. Würde sie verborgen in sich tragen, bis irgendwann die Gelegenheit käme, die Wahrheit herauszufinden. Sie zu finden.
    Draußen wurden die Winde lauter,
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