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Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Titel: Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
Autoren: Beatrice Fabregas
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lieben?
    Hermann war nicht abergläubisch. Nicht im Geringsten. Er ging in die Kirche, wenn es sein musste, sprach jeden Abend lustlos ein stilles Gebet, doch der Santeria-Kult der Schwarzen machte ihm Angst. Es waren nicht so sehr die Orishas, die Götter der Santeria, die er fürchtete, sondern der fanatische Glaube der Schwarzen und Weißen an die Macht des Voodoo. Don Alvaro war durch einen schwarzen Fluch gestorben. Seit Jahren hatte es auf der Pflanzung keine weiteren Fälle von Voodoo gegeben, zumindest soviel er wusste. Und was die Sklaven unter sich damit machten, kümmerte ihn nicht weiter. Aber nun sahen die Dinge anders aus. Wenn er Fela jetzt fortschickte, dann konnte es sein, dass die anderen Sklaven deshalb einen Aufstand anzettelten. Und was dann? Die Ernte stand vor der Tür. Er schüttelte den Kopf. Nein, er musste den Schwarzen behalten. Aber er würde ihn nicht aus den Augen lassen. Ihn nicht und Titine auch nicht. So viel war gewiss.
    Hermann wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn, dann stieg er auf sein Pferd und ritt hinüber zu den Zuckermühlen. Obwohl die eigentliche Ernte erst in sechs Wochen losgehen würde, gab es schon jetzt reichlich zu tun. Plantagenabschnitte, die am Rande des Ingenios lagen, in Richtung der Hügel, hatten mehr Wasser abbekommen als der Rest des Zuckerrohres. Daher waren die Stengel dort schon reif für die Ernte.
    Auf dem Platz vor der Mühle standen etliche Eselskarren voller Zuckerrohr. Kräftige Sklaven luden die Vorernte ab und brachten sie in die Mühle. Dort wurde das Rohr ausgepresst, sein Saft in riesigen Bottichen aufgefangen. In der Siederei entstand aus dem Saft der kristalline Zucker, der später in Sisalsäcke gepackt und entweder mit Ochsenkarren zum Hafen nach Cienfuegos oder mit der Eisenbahn nach Havanna gebracht wurde. Die ausgepressten Stangen kamen in eine weitere Halle, wurden getrocknet und gehäckselt. Ein Teil der Häckselmasse diente als Viehfutter, ein anderer Teil wurde zu Brennstoff gepresst.
    Hermann betrat die Mühle. Die Dampfmaschine arbeitete mit Gebrüll, so dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Es zischte, knirschte, rumpelte, ratterte. Die Luft war so dick, dass man sie beinahe mit den Händen greifen konnte. Der Duft des Zuckers, betörend wie Honig, ließ auf der Stelle den Mund trocken werden und legte sich als klebrige Schicht auf die Haut nieder. Durch die wenigen Fenster drang kaum Sonnenlicht herein, so dass die gesamte Mühle im Halbdunkel lag. Die Sklaven arbeiteten mit nackten Oberkörpern, die schweißüberströmt waren. Die meisten hatten gerötete Augen, aufgesprungene Lippen, rissige Hände und bewegten sich gebückt, weil der Rücken schmerzte. Immer wieder schleppten sie sich zu einem Fass mit Wasser, tauchten die Kelle dort hinein und tranken gierig, während die Maschinen weiter hinter ihnen tobten. Der Mühlenmeister schritt mit hochrotem Gesicht umher, fuhr mit der Peitsche über die Rücken zweier Sklaven, die es sich für einen Augenblick auf den Sisalsäcken bequem gemacht hatten. Er trieb sie an die Stelle, wo die harten, klebrigen Stengelreste aus der Dampfmaschine herausgepresst wurden. Mit beiden Händen zogen die Männer an den Rohrstücken, schnitten sich an den harten Fasern, rissen sich die Hände, die Arme und sogar die Brust daran auf.
    Hermann taxierte kurz die Sklaven, machte sich im Geist Notizen, den einen oder anderen auszutauschen. Dann verließ er die tobende, schweißtreibende Mühle und bahnte sich einen Weg durch die vollbeladenen Karren hinüber zum Gerätehaus. Im Schatten der Halle lagen ein paar Sklaven am Boden oder lehnten mit schlaffen Gliedern an der Wand. Sie rauchten zusammengerollte Tabakblätter, und ihre dunklen Schultern waren mit weißen Zuckerkristallen überzogen. Auch sie hatten rotgeränderte Augen, rissige Lippen und schmerzhafte Schnitte auf Armen, Händen und der Brust. Ihre Hände zitterten, wenn sie die qualmenden Tabakblätter zum Mund führten. Einige hatten die Augen geschlossen, andere stierten apathisch vor sich hin. Die Männer waren so erschöpft, dass sie die Ankunft ihres Herrn nicht bemerkten.
    »Wie lange arbeitet ihr heute schon in der Mühle?«, fragte Hermann plötzlich, und die Sklaven schraken zusammen. Drei von ihnen rappelten sich mühsam hoch, zwei blieben einfach liegen.
    »Zwölf Stunden, Don Herman«, antwortete der eine, straffte dabei die Schultern und reckte den Kopf hoch.
    »Geht in euer Dorf. Ruht
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