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Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
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Holzvertäfelung des Flurs ab.
    »Störe ich? Du siehst aus, als wolltest du gerade gehen.«
    »Wollte ich auch. Macht aber nichts. Komm rein. Was kann ich für dich tun?«
    »Es ist so ... Ich habe da noch eine Frage, dienstlicher Natur.«
    Nyström fiel auf, wie sauber das Schwedisch der jungen Frau klang. Die vielen Jahre in Deutschland hatten keine Spuren hinterlassen. Jedenfalls nicht in der Sprache.
    »Worum geht es?«
    Forss antwortete nicht sofort, stattdessen rieb sie ihr rechtes Ohrläppchen mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Nyström kannte diese Geste aus Verhören. Sie war gespannt, was jetzt kommen würde.
    »Ich wollte mit dir darüber sprechen, wie wir die Frage der Dienstwaffe handhaben wollen. Formal gesehen habe ich nur den Status einer Polizeianwärterin, einer Studentin im Praktikum. Faktisch werde ich hier allerdings ganz normale Arbeit leisten, und ohne Dienstwaffe wäre ich irgendwie, na ja, so etwas wie ein Klempner ohne Zange, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Nyström sah in das schiefe Lächeln sehr roter Lippen.
    »Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch gar keine Gedanken gemacht. Ich werde mich schlaumachen, was die juristische Situation angeht, einverstanden?«
    Forss nickte.
    »Aber du solltest dir keine Sorgen machen, Växjö ist in vielerlei Hinsicht anders als Berlin, Waffen kommen bei uns nur äußerst selten zum Einsatz.«
    Forss lachte hell auf.
    »Das habe ich schon gemerkt. Das mit dem Anderssein. Aber danke, dass du dich kümmerst.«
    Sie wandte sich zum Gehen.
    »Stina.«
    »Ja?«
    »Darf ich dich etwas Persönliches fragen?«
    »Ja.«
    »Gibt es einen besonderen Grund, warum du nach Schweden zurückgekehrt bist? Von einer Metropole in eine Kleinstadt in Småland?«
    Die kleine Frau zögerte. Wieder griff sie an ihr Ohrläppchen.
    »Familienbande«, sagte sie schließlich. Dann drehte sie sich um und klackerte mit ihren roten Absätzen den Flur hinunter. Aha, dachte Nyström, ein Klempner ohne Zange. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass Forss ihr nur eine Art von Wahrheit gesagt hatte.
    5
    Als die bläulich schimmernde Uhr auf dem Armaturenbrett Mitternacht anzeigte, stieg er aus. Geisterstunde, er brauchte dieses Ritual. Für einen Moment brannte die kalte Luft in seiner Lunge, dann hatte er sich daran gewöhnt. Er ging die schmale Lichtung hinauf. In diesem Teil des Waldes wölbte sich der Boden wie der Buckel einer Katze. Aus seiner Tasche zog er eine Stablampe. Ihr Licht riss Wunden aus Grau- und Brauntönen in den schwarzen Wald. Obwohl er Profilschuhe trug, fanden seine Schritte auf dem Untergrund, wo sich Schnee, Eis, Matsch, Wurzeln, Steine und Pfützen abwechselten, wenig Halt. Als er endlich den Kamm des Hügels erreichte, war er durchgeschwitzt und außer Atem, sein linker Fuß war nass und kalt, weil er an einer Stelle in eine mit Wasser gefüllte Furche getreten war. Aber all das spürte er kaum. Er war jetzt ganz nah, er konnte seine Erregung kaum zurückhalten. Gleich da vorne war es. Er brauchte die Lampe nicht mehr, er wusste, wo er war. Die gedrungene Silhouette des Baumstumpfs zeichnete sich vor dem Nachthimmel ab. Jahre musste es her sein, dass ein Herbststurm oder ein Sommergewitter die mächtige Tanne umgekippt hatte. Die verdrehten Wurzeln ragten weit über den Waldboden hinaus, sodass ihn der Umriss des toten Holzes an einen riesigen, kauernden Troll erinnerte. Ein Troll, der einen Schatz hütet, dachte er. Schnell war er vor dem Baumstumpf auf die Knie gegangen. Die Feuchtigkeit, die an den Schienbeinen durch den dünnen Baumwollstoff seiner Hose drang, nahm er kaum wahr. Er beugte sich vor, so weit es ging, und tastete mit einem Arm in eine der vielen morschen Spalten des Holzes. Da war es, er konnte den Metallzylinder fühlen. Vorsichtig zog er ihn mit gespreizten Fingern aus dem Loch. Er musste ihn öffnen, gleich hier, er musste anfassen, was darin war, er musste seine Beute sehen. Begreifen. Hastig drehte er am Verschluss. Nein, stopp! Es war zu kostbar, um es auf den matschigen Waldboden zu legen. Eilig zerrte er seine Allwetterjacke von den Armen, breitete sie wie eine Decke aus. Jetzt war es so weit. Er riss den Deckel von dem Zylinder und drehte ihn auf den Kopf. Sein Herz machte einen Sprung. Was war mit seiner Beute? Hektisch tastete er nach der Stablampe. Er starrte auf den kleinen Zettel, der aus dem Zylinder gefallen war. Er sahdie Worte, die auf dem Papier standen. Dort sollten keine Worte stehen, sondern Zahlen und
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