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Silicon Jungle

Silicon Jungle

Titel: Silicon Jungle
Autoren: Shumeet Baluja
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einer Laune heraus dran.
    Schon nach fünf Minuten war er mit seiner Geduld am Ende und hatte auch seinen üblichen Vorrat an Ausreden erschöpft: »Ehrlich, ich bin ganz zufrieden in Berkeley«, oder: »Ich stehe dem Arbeitsmarkt zurzeit nicht zur Verfügung.« Es war ein Fehler gewesen, den Anruf anzunehmen. Der Mann ließ sich nicht abwimmeln.
    »Professor Asad, nun lassen Sie mich doch ausreden«, flehte er. »Wir haben schon ein herausragendes Team von vierzig Mitarbeitern zusammen. Wir möchten, dass Sie bei uns Ihre eigene Forschungsgruppe aufbauen, so groß oder klein, wie Sie wollen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, Professor Asad, Sie genießen hier im Valley einen ausgezeichneten Ruf. Mindestens fünf unserer leitenden Wissenschaftler haben mich ausdrücklich gebeten, Sie anzuwerben. In deren Augen können Sie Wunder vollbringen.«
    »Wie gesagt, ich fühle mich geschmeichelt. Aber die fünf verblendeten Wissenschaftler würde ich irgendwann gern mal kennenlernen. Ich persönlich bin jedem gegenüber misstrauisch, der eine so hohe Meinung von mir hat«, erwiderte Atiq, bemüht, seine Ungeduld zu beherrschen.
    »Professor Asad, was hätten Sie gern? Die Freiheit, eigene Forschungen zu betreiben? Geniale Mitarbeiter an Ihrer Seite? Oder vielleicht Geld? Was immer erforderlich ist, damit Sie zu uns kommen, ich werde mein Bestes tun, um es möglich zu machen.«
    Das hätte verlockend sein können, wenn er es hätte nachklingen lassen. Konzentration. »Wenn alles gutgeht, bekomme ich hier in neun Monaten einen eigenen Lehrstuhl. So kurz vor dem Ziel kann ich die Arbeit von vielen Jahren nicht aufgeben. Nochmals vielen Dank. Ich muss jetzt wirklich auflegen.«
    »Das Gehalt, das wir Ihnen bieten, wird Sie wohl nicht umstimmen? Aber wenn ich Ihnen sage, dass Sie mehr Aktienanteile an Ubatoo erhalten, als irgendjemand zuvor? Wie wär’s, wenn wir das Angebot für Sie offenhalten, bis Sie den Lehrstuhl in der Tasche haben? Dann hätten Sie noch Zeit, darüber nachzudenken.«
    »Okay. Sprechen wir uns in neun Monaten wieder, wenn sich entschieden hat, ob ich den Lehrstuhl bekomme oder nicht«, stimmte Atiq zu. Das Telefonat endete höflich – endlich, dachte er. In neun Monaten hätten diese verführerischen Worte schon längst einen anderen Kandidaten in Versuchung geführt.
    Der Anwerber meldete sich nicht wieder.
    Atiqs Problem war, dass Ubatoo sich aus allen Richtungen in sein Leben schlich. Ob er über Ubatoos Suchmaschine nach wissenschaftlichen Aufsätzen stöberte oder nach Weihnachtsgeschenken für seine Frau und die Kinder – Ubatoo war zur ersten Adresse geworden, wenn es irgendetwas im Netz zu finden galt. Er nutzte inzwischen auch die anderen Dienste von Ubatoo – E-Mail und Online-Kreditkarten und ab und an den Instant Messenger, um mit seinem Sohn und seiner Tochter zu chatten, die beide behaupteten, das sei für sie die einzig sichere Kommunikationsmethode. Jedes Mal, wenn das Ubatoo-Logo vor seinen Augen auftauchte, fiel es ihm schwer, sich nicht auszumalen, was der Anwerber ihm noch alles geboten hätte, wenn er, Atiq, das Telefonat nicht so schnell beendet hätte.
    Zehn Monate nach dem Telefonat und einen Monat nachdem ihm der lang ersehnte Lehrstuhl gewährt worden war, tauchte der Anwerber persönlich auf, zusammen mit fünf Begleitern. »Professor Asad«, begann der Anwerber, der als Einziger eine Krawatte trug, »ich möchte Ihnen die fünf verblendeten Wissenschaftler vorstellen, die Sie damals sehen wollten.«
    Atiq ließ den Blick über ihre Gesichter wandern – Gesichter, die er vage wiedererkannte, da sie vor Jahren bei ihm promoviert hatten. Sie sahen aus, als hätten sie die Soda Hall, wie das Gebäude des Fachbereichs Informatik in Berkeley hieß, nie verlassen – abgetragene Jeans, verschossene T-Shirts, ungepflegte Gesichter, fettige Haare und die unverkennbare Aura von Schlafmangel. Er schüttelte jedem von ihnen herzlich die Hand und bat sie in sein Büro.
    Der Anwerber kam sofort zur Sache. »Haben Sie noch einmal über Ubatoo nachgedacht? Ubatoo hat sich seit unserem letzten Telefonat um mehr als das Dreifache vergrößert, und wir brauchen Sie mehr denn je in unserem Team.«
    »Gentlemen, es ist großartig, Sie alle wiederzusehen. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, Sie in meinem Büro zu haben, aber ich kann das hier unmöglich aufgeben.« Atiq deutete auf die Regale voller Fachzeitschriften, Bücher und die zahlreichen gerahmten Urkunden, die wahllos in dem
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