Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sharpes Gefecht

Sharpes Gefecht

Titel: Sharpes Gefecht
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
hätte der Guidon mit der Trikolore als Standarte gereicht, doch es musste wohl noch ein zweites Banner sein, und das war außergewöhnlich. Ein französischer Adler mit vergoldeten Schwingen saß auf der Spitze, und unter den Sockel hatte man ein Querstück genagelt. Die meisten Adler hatten eine Trikolore aus Seide am Stab, doch am Querstück von diesem hier baumelten sechs Wolfsschwänze. Die Standarte hatte etwas Barbarisches an sich. Sie erinnerte an weit zurückliegende Zeiten, als heidnische Horden von Steppenkriegern auf ihren Pferden Tod und Zerstörung über die Länder der Christenheit gebracht hatten.
    Und wenn die Wolfsstandarte Sharpe schon das Blut in den Adern gefrieren ließ, so war das nichts im Vergleich zu dem Gefühl, das ihn überkam, als er den Mann sah, der den anderen vorausritt. Bis auf die Stiefel war alles an dem Mann grau. Seine Jacke war grau, sein Pferd, sein Helm mit dem Rosshaarschweif, und sein gefütterter Mantel war mit grauem Wolfsfell abgesetzt wie auch die Schäfte seiner Stiefel. Selbst die Scheide seines langen Säbels und das Sattelholster für den Karabiner waren aus grauem Wolfsleder, und den Nasenriemen des Halfters schmückte ein grauer Streifen Fell. Sogar der Bart des Mannes war grau. Es war ein kurzer Bart, ordentlich gestutzt, doch der Rest des Gesichts war wild, gnadenlos und voller Narben, ein Albtraumgesicht. Ein blutunterlaufenes und ein blindes, milchiges Auge starrten aus diesem wettergegerbten, kampferfahrenen Gesicht, als der Mann sein Pferd neben Sharpe zügelte.
    »Mein Name ist Loup«, sagte er. »Brigadier Général Loup von der Armee Seiner Kaiserlichen Majestät.« Sein Tonfall war seltsam sanft und höflich, und sein Englisch hatte einen leichten schottischen Akzent.
    »Sharpe«, stellte sich der Rifleman vor. »Captain Sharpe, British Army.«
    Die drei anderen Franzosen hatten gut ein Dutzend Yards entfernt angehalten. Sie schauten zu, wie ihr Brigadier das Bein über den Sattel schwang und sich geschickt auf den Pfad gleiten ließ. Loup reichte zwar nicht an Sharpe heran, aber er war immer noch groß, muskulös und agil. Sharpe schätzte den französischen Brigadier auf etwa vierzig Jahre, sechs Jahre älter als er selbst. Loup holte zwei Zigarren aus seiner pelzbesetzten Säbeltasche und bot Sharpe eine davon an.
    »Ich nehme nichts von Mördern«, sagte Sharpe.
    Loup lachte über Sharpes Entrüstung. »Dann sind Sie dumm, Captain. Wollen Sie mir das damit sagen? Dass Sie dumm sind? Nun ja, wie auch immer. Ich war ein Gefangener, wissen Sie, in Schottland, in Edinburgh. Das ist eine sehr, sehr alte Stadt, aber mit wunderschönen Frauen. Ein paar von ihnen haben mich Englisch gelehrt, und ich habe ihnen beigebracht, was sie alles mit ihren langweiligen, calvinistischen Ehemännern machen können. Wir Offiziere durften uns frei bewegen, nachdem wir unser Ehrenwort gegeben hatten, nicht zu fliehen. Wir wohnten nicht weit von der Candlemaker Row. Kennen Sie sich dort aus? Nein? Sie sollten Edinburgh wirklich einmal besuchen, Captain. Trotz der Calvinisten und der furchtbaren Küche ist das eine schöne Stadt, sehr gebildet und gastfreundlich. Als der Frieden von Amiens unterzeichnet wurde, wäre ich fast dortgeblieben.«
    Loup hielt kurz inne, um Feuerstein auf Stahl zu schlagen und dann auf den verkohlten Zunder in seiner Zunderkiste zu blasen, bis eine Flamme erschien, an der er seine Zigarre anzünden konnte.
    »Ja, ich wäre fast geblieben, aber Sie wissen ja, wie das ist. Sie war mit einem anderen Mann verheiratet, und ich liebe Frankreich. Also bin ich jetzt hier und sie dort, und ohne Zweifel träumt sie häufiger von mir als ich von ihr.« Er seufzte. »Doch das Wetter hier hat mich an sie erinnert. Wir haben oft im Bett gelegen und den Regen und den Nebel vor den Fenstern der Candlemaker Row betrachtet. Es ist ziemlich kalt heute, nicht wahr?«
    »Für Sie ist das doch kein Problem, so wie Sie gekleidet sind«, erwiderte Sharpe. »Sie tragen doch mehr Pelz als eine Nutte zu Weihnachten.«
    Loup lächelte. Es war kein freundliches Lächeln. Ihm fehlten zwei Zähne, und die verbliebenen waren gelb. Er hatte freundlich mit Sharpe gesprochen, charmant sogar, doch es war der aalglatte Charme einer Katze gewesen, kurz bevor sie zuschlägt. Er zog an seiner Zigarre, und die Spitze glühte rot, während Loup Sharpe mit seinem blutunterlaufenen Auge anstarrte.
    Loup sah einen großen Mann mit einem viel benutzten Gewehr über der Schulter und einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher