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Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Titel: Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
Autoren: Kerstin Wassermann
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sich da wirklich sicher?«, fragte Christensen. Er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Wissen Sie, warum Saskia das alles über sich hat ergehen lassen? Weil sie ihre Schwester schützen wollte. Sie hat mir gesagt, dass sie einfach abgehauen wäre. Aber Linda war noch zu klein, um sie mitzunehmen, also sind sie beide geblieben.« Er lachte voller Bitterkeit auf. »Im Gegenteil, Saskia hat Tenstaage sogar provoziert, damit er sich an ihr auslässt und nicht an Linda, können Sie sich das vorstellen?«
    Suna konnte es sich durchaus vorstellen, doch sie wollte nicht. Sie weigerte sich, an das kleine, verängstigte Mädchen zu denken, das versucht hatte, seine zweijährige Schwester vor dem grausamen Pflegevater zu schützen. Für das, was Tenstaage ihr angetan hatte, hatte Saskia ihr vollstes Mitgefühl. Allerdings konnte sie trotzdem kein Verständnis für Saskias Rachepläne aufbringen, geschweige denn für Christensens Taten. Er war inzwischen völlig durchgeknallt, das stand für sie fest.
    Sie blickte zu ihrer Klientin hinüber. Lindas Kopf lag immer noch auf dem oberen Rand der Rücklehne auf. Wegen ihrer im Rücken ineinander verschränkten Arme hatte sie sich seitlich von Suna weggedreht, aber diese erkannte trotzdem, dass ihre Augen geschlossen waren. Sie sah aus, als schliefe sie. Entweder hatte sie inzwischen das Bewusstsein verloren, oder sie hatte völlig resigniert und ließ einfach alles über sich ergehen.
    Suna hatte keine Ahnung, wie viel sie von ihrem Gespräch mit Christensen mitbekam. Hoffentlich nichts, flehte sie im Stillen.
    »Hören Sie, Linda war damals doch noch ein Kleinkind. Sie konnte wirklich am wenigsten für alles«, versuchte sie ihn noch einmal von seinem Plan abzubringen. »Und sie hat Saskia wirklich geliebt, wahrscheinlich als Einzige aus ihrer Familie.«
    »Das mag schon sein. Trotzdem war Linda nicht da, als Saskia sie gebraucht hat. Sie ist lieber mit ihren Freundinnen feiern gegangen, anstatt für ihre Schwester da zu sein.«
    Suna wollte einwenden, dass Linda doch nicht hatte ahnen können, dass es Saskia an diesem Abend so schlecht gegangen war. Sie hatte ja auch nichts von den Racheplänen und von der Entführung von Tenstaage gewusst, doch sie sah ein, dass es sinnlos war. Er würde sich niemals von ihr umstimmen lassen, ganz egal, welches Argument sie noch vorbrachte. Inzwischen hatte er sich seine eigene Realität zusammengebastelt. Er würde Linda umbringen, und wahrscheinlich auch sie.
    Die Bestätigung für ihre Ahnung bekam Suna nur wenige Sekunden später, als Christensen wie beiläufig sagte: »Aber wenn Linda Saskia wirklich so liebt, wie Sie sagen, wird es ihr ja kaum etwas ausmachen, ihr zu folgen.«
    Suna erschauerte abermals. Entsetzt starrte sie Christensen im Rückspiegel an. Sie schaffte es nicht, den Blick von ihm abzuwenden, nicht einmal, als er wissend grinste. Ihr war plötzlich klar geworden, wohin sie fuhren: Zur Fehmarnsundbrücke.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Christensen ruhig. Es hörte sich an, als spräche er mit einem kleinen Kind. »Ihnen wird nichts passieren. Gegen Sie habe ich nichts.«
    Suna spürte, wie langsam Panik in ihr aufzusteigen begann. Sie hatte schon die ganze Zeit gewusst, dass sie und Linda in Lebensgefahr waren, aber jetzt, wo sie Christensens konkrete Pläne durchschaut hatte, wurde ihr klar, wie wenig Zeit ihnen noch blieb. Dass er es angeblich nur auf ihre Klientin abgesehen hatte, beruhigte sie dabei keineswegs.
    Normalerweise brauchte man von Lübeck aus eine knappe Stunde, um die Fehmarnsundbrücke zu erreichen. Zwar hielt Christensen sich an die vorgeschriebenen Geschwindigkeitsbeschränkungen, um nicht aufzufallen, aber leider war nicht viel los auf der Autobahn.
    Wie oft hatte Suna auf der A1 im Stau gestanden und geflucht. Doch jetzt, wo sie sich sehnlichst einen Stau herbeiwünschte, kamen sie gut durch. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie schon fast seit einer halben Stunde unterwegs waren.
    Linda hatte die Augen immer noch geschlossen, und Christensen schien vollkommen in seine Gedanken versunken zu sein. Er sah nur noch selten in den Rückspiegel.
    Vorsichtig bewegte Suna ihre Hände, um zu sehen, ob sie ihre Fesseln irgendwie lösen konnte. Sie verdrehte die Handgelenke gegeneinander, biss die Zähne zusammen und ignorierte den Schmerz, der ihr durch beide Arme in den Rücken schoss, so gut sie konnte. Doch die Fesseln saßen fest. Sie schnürten die Blutzufuhr ab, sodass
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