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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt
Autoren: N Förg
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zum
Abstinenzler werden. Daneben galt Augsburg immerhin auch als die Wiege des
»Zwetschgendatschi«, daher der Name »Datschiburger«. Gerhard hasste Zwetschgen.
Er hatte eine Zeitlang im Raum Augsburg gearbeitet und war mit der Stadt nie
warm geworden – zu akkurat, zu sauber waren die gepflegten Gärten und Wege.
    »Obiburg« nannte
Gerhard die Schwabenmetropole deshalb auch. Keine Stadt hatte so viele Obis,
Praktiker, Globus und Co. proportional zur Bevölkerung. Diese Heimwerkerkönige
bunkerten allsamstäglich in Mammut-Märkten alles Erdenkliche für ihr properes
Reihenhäusle und ihren geschleckten Vorgarten – als gäbe es nie mehr Nägel,
Bohrmaschinen, Blättersauger und Gartenzwerge zu kaufen! Ein Horror für Gerhard,
der eher ein Vertreter des kreativen Chaos war. Und was Gärten betraf, Gerhards
nicht vorhandener grüner Daumen trieb sogar fehlerverzeihende Pflanzen wie eine
Yucca in ewige Dörrnis.
    Augsburg war für ihn
genau wie Volker Reiber ein Symbol des Spießertums. Augsburg und Volker Reiber
hatten von Anfang an keine Chance bei Gerhard bekommen.
    Auch bei allen
anderen Kollegen hatte der Augsburger Kriminalhauptkommissar sich schnell alle
Sympathien verscherzt. Als er zum ersten Mal nach einer Lagebesprechung am
allgemeinen Geplänkel teilnehmen wollte, hatte er ein Bonmot ganz tief aus der
Mottenkiste gezogen, demzufolge man im Allgäu ist, »wenn d’ Kia scheener als d’
Föhla sind«. Das darf ein Allgäuer sagen, aber niemand aus Datschiburg! Als er
dann noch mit einem jovialen »wir Schwaben müssen doch zusammenhalten« bei den
Kollegen auf Verbrüderung machte, hatte Reiber die Fettnapfskala engültig
ausgereizt.
    Es gibt nun mal
keine schlimmere Schmach für die Urallgäuer, als irgendwo im Ausland, das
bereits am Ammersee oder in München anfängt, als »Schwaben« angesprochen zu
werden. Ein Allgäuer ist ein Allgäuer ist ein Allgäuer! Kein Bayer und schon
gar kein Schwabe! Das Unterland wie Kaufbeuren und Memmingen ignoriert der
echte Bergallgäuer aus Oberstaufen, Balderschwang oder Füssen ebenso
geflissentlich. Gerhard kam aus Eckarts bei Immenstadt, und das war nun
wirklich ein perfekter Abstammungsnachweis!

2.
    Gerhard Weinzirl
nickte Volker Reiber säuerlich zu. »Das ist Johanna Kennerknecht, sie hat die
Leiche entdeckt.«
    Reiber checkte Jo –
besser gesagt, er schien ihre Erscheinung regelrecht zu screenen: ihre
mistverdreckten Bergstiefel, die Jeans mit Knieloch, aus dem eine froschgrüne
Strumpfhose spitzte, den Fleecepulli Größe Super-Oversized, der übersät war von
Pferdehaaren.
    Volker Reibers
gezischtes »Angenehm« bedeutete wohl das Gegenteil, und er schien nun
schnellstens zum Tatort zu wollen. Sein Kollege, wohl der Mann von der
Spurensicherung, schaute verzweifelt auf den Wagen, der halb im Schnee steckte.
Dann stakste er wie ein Storch zum Heck des Autos, wühlte im Schnee und stemmte
die Klappe des Kofferraums hoch, der sich augenblicklich mit Schnee füllte.
    Jo senkte den Blick,
um nicht zu grinsen. Gerhard Weinzirl sagte: »Ich würde Ihnen vorschlagen, den
Jeep von Herrn Anwander zu nehmen, denn Ihrer …« Er brach mit einer
Handbewegung in Richtung des BMW ab.
    Sie holperten los,
dank der Nicht-Federung des Anwanderschen Wagens touchierte der groß gewachsene
Kripo-Dressman im Minutenrhythmus die Querstrebe des zerschlissenen Lederdachs.
Kleine Schläge auf den Hinterkopf fördern das Denkvermögen, dachte Jo, rief
sich aber sofort zur Räson, immerhin ging es um einen Toten, sogar um einen
höchst brisanten Toten: HJ Rümmele. Er selbst hatte sich HJ rufen lassen!
    Ihr lief ein Schauer
über den Rücken. Der großspurige Bau-Großkotz, der das Allgäu wie eine Spinne
mit einem Netz von schwäbischen Zweitwohnungen überzogen hatte. Natürlich
durfte sie das nur inoffiziell denken. Taktik war in ihrem Beruf oberstes Gebot
– aber nicht gerade Jos Stärke!
    Die Firma
Rümmele-Bau hatte aber auch bei vielen anderen Bauvorhaben die Finger im Spiel
gehabt, ob bei Reihenhauskomplexen oder bei Großprojekten. Rümmeles liebstes
Kind war das Event Castle in Bühl am Alpsee. Seit Wochen war er in der Diskussion
um diesen Freizeit-Fun-Park der größte Befürworter gewesen.
    Am Fundort
angekommen, hielt Jo sich am Rande und sah dem geschäftigen Treiben leicht
abwesend zu. Die Stelle wurde vermessen und abgesteckt; der Arzt, den
irgendjemand per Handy gerufen hatte, redete auf Volker Reiber ein, und Gerhard
sah immer noch aus wie vor einer
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