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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Autoren: Silvia Roth
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nachzudenken. »Mein Schwiegervater hat am ersten Feiertag Geburtstag«, erklärte er dann ohne erkennbaren Zusammenhang. »Dafür sind wir an Heiligabend eigentlich immer unter uns.«
    Aha, dachte Winnie. Und?
    »Es gibt Gans und Knödel und Vanillepudding zum Nachtisch«, fuhr ihr Vorgesetzter fort. »Und wir machen ein paar Gesellschaftsspiele.« Seine Augen wandten sich ihr zu. »Seit letztem Jahr darf Nina auch ein bisschen länger aufbleiben. So bis zehn, maximal. Was natürlich trotzdem zu lang ist.«
    Warum, um Gottes willen, erzählst du mir das alles?, dachte Winnie.
    »Was ich meine, ist …«
    »Ja?«
    Er atmete tief durch. »Hätten Sie eventuell Lust zu kommen?«
    Wie bitte??? Winnie hatte das Gefühl, dass ihr jemand die Beine wegtrat und sie geradewegs auf dem Allerwertesten landete.
    Papa sagt, du magst keinen Besuch …
    »Ich …« Sie schluckte. »Äh … na klar. Das würde ich sehr gern.«
    »Ja?«
    »Ja. Nur … ich … äh … tja, also … ich habe schon eine Verabredung.«
    Er hatte alles Mögliche erwartet, nur das nicht. »Verzeihung«, sagte er, als ihm klar wurde, wie sein Erstaunen auf sie wirken musste.
    »Oh, in den letzten Jahren war ich tatsächlich immer allein«, erklärte Winnie eilig und hätte sich im gleichen Moment am liebsten in der Luft zerrissen für dieses freimütige Geständnis. »Aber das war auch nicht schlimm. Ich meine … ist ja schließlich ’n Tag wie jeder andere, nicht wahr?« Sie wartete nicht auf eine Antwort von ihm, sondern sprach einfach weiter. Dieses Gespräch war ihr viel zu gefährlich, als dass sie es sich hätte leisten können, eine Pause zu machen. »Ich meine, für Kinder ist das natürlich was anderes«, erklärte sie. »Aber als Erwachsener … Also, normalerweise hätte ich einfach DVD s geguckt, mir die Decke über den Kopf gezogen und in Ruhe abgewartet, dass alles um mich herum wieder normal wird. Nur habe ich, wie gesagt, in diesem Jahr schon was anderes vor …«
    Verhoeven lächelte. »Freut mich für Sie«, sagte er.
    »Ja«, entgegnete sie. »Mich auch.«

Epilog

Mittwoch, 24 . Dezember
    »Ach du Scheiße«, sagte Kaspar Olivier, als Winnie Heller durch die Tür seines Krankenzimmers trat.
    »Na, das ist doch aber mal ’ne herzliche Begrüßung«, lachte sie.
    »Und das, wo ich mich erfolgreich gegen diesen sogenannten bunten Abend gewehrt habe, zu dem sie mich so unbedingt nötigen wollten.« Seine wulstigen Finger wischten abfällig durch die Luft, aber Winnie konnte deutlich sehen, dass er sich freute. »Ich sage Ihnen, die nutzen die Hilflosigkeit der Menschen hier schamlos aus, um Sie mit Lebkuchen und Liedern und – Gott steh mir bei – irgendwelchen frommen Sprüchen zu füttern.« Er schüttelte sich. »Bei Weihnachten genügt schon allein das Wort, und ich muss kotzen.«
    »Das hier ist kein Besuch«, erklärte Winnie, indem sie mit einem breiten Grinsen auf dem Stuhl neben seinem Bett Platz nahm.
    »Sondern?«
    »Ein Arbeitstreffen. Ich wollte Ihnen von Cordula erzählen.«
    Olivier verzog das Gesicht. »An Heiligabend.«
    »Na klar, wann denn sonst? Hey, ob Sie’s glauben oder nicht, ich bin ’ne viel beschäftigte Frau.«
    Jetzt lächelte er doch. »Na schön, setzen Sie sich.«
    »Ich sitze schon, falls es dem Herrn Strafverteidiger entgangen sein sollte«, belehrte Winnie ihn vergnügt.
    »Dann bleiben Sie, verdammt noch mal, sitzen. Kamillentee?«
    »Gern.«
    Er hustete. »Mein Butler hat heut leider Ausgang. Wenn Sie sich also einstweilen selbst bedienen würden?« Sein fleischiges Kinn wies zum Nachtschrank. »Da drüben. In der Kanne. Der Rest sind Chemikalien.«
    Winnie nahm sich einen leeren Plastikbecher und bediente sich.
    »Sieht aus wie ’ne Urinprobe, was?«, frotzelte Olivier in aufgeräumtem Ton, aber es ging ihm deutlich schlechter als bei ihrem letzten Besuch. Sein fleischiges Gesicht war gelblich verfärbt und wirkte beinahe wächsern. Vielleicht von dem Gift, mit dem sie ihn andauernd vollpumpten. Winnies Blick wanderte zu der Wölbung unter seinem Schlüsselbein, die ordentlich verpflastert war. Im Halbdunkel hinter dem Bett stand der leere Infusionsständer.
    »Meine Nachtration kommt erst um elf«, erklärte Olivier, der wie so oft instinktiv spürte, was Winnie umtrieb. »Aber das macht nichts. Hab in den letzten Tagen viel weniger Beschwerden gehabt als vorher. Keine Ahnung, warum.«
    Winnie nickte.
    So sah er nicht aus.
    Aber vielleicht stimmte es trotzdem.
    Sie strich sich die Haare aus dem
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