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Savannah

Savannah

Titel: Savannah
Autoren: Linda Lael Miller
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gekauert, ein Bild des Elends.
    »Toby«, sagte sie streng.
    Er schaute auf und sah sie mit seinen blauen Augen unschuldig, aber abweisend an. Er würde später mal ein gut aussehender Mann werden, einer von der flotten, verwegenen Art. Er sagte kein Wort.
    »Wie alt bist du?«
    »Elf«, erwiderte er nach einiger Zeit. Er war relativ klein für sein Alter - was zweifellos der Grund dafür war, dass er sich manchmal so großspurig wie ein aufgeplusterter Hahn benahm, wenn er Angst hatte.
    »Also noch nicht sooo alt«, sagte sie. »Komm da unten raus.« Sie streckte ihm ihre Hand entgegen und wartete.
    Erstaunlicherweise ergriff er die angebotene Hand und stand auf, wobei Savannah ein bisschen nachhalf, indem sie an seinem Arm zog. Ohne ein weiteres Wort führte sie das Kind zum Kamin, setzte sich in Junes Schaukelstuhl und zog den Jungen auf ihren Schoß. Einen Moment lang wehrte er sich gegen diese Zärtlichkeit, aber dann ließ sein Widerstand nach und er kuschelte sich an sie. Sie hielt ihn zwar fest, aber sie vermied es geschickt, ihn dabei so einzuengen, dass er wieder Angst bekam.
    »Du magst Jacob sehr, nicht wahr?«, sagte sie in sein blondes, widerborstiges Haar.
    Er nickte und sie spürte seinen Kopf unter ihrem Kinn. Sie spürte, wie ihr Kleid von seinen Tränen nass wurde, aber das erwähnte sie natürlich nicht.
    »Wir, Dr. Parrish und ich, mögen ihn auch. Mein Mann wird alles Menschenmögliche tun, um Jacob zu helfen, Toby, das kann ich dir versprechen.«
    Der Junge schniefte und entspannte sich etwas mehr.. Danach waren keine Worte mehr nötig. Savannah schaukelte sanft, Toby schmiegte sich noch enger an sie - und schließlich schlief er ein.
     
    Jacob überlebte die Nacht und die Tage und Nächte, die folgten. Als die Blätter im Herbst die Farbe wechselten, war er wieder auf den Beinen und konnte mit Hilfe eines Gehstocks auch wieder einigermaßen laufen. Natürlich konnte er nicht wie früher seiner schweren Arbeit in der Station nachgehen, er war blass und schwach. Savannah und alle anderen Menschen in Springwater hatten den Eindruck, dass er seine Lebenskraft verloren hatte. Er predigte sonntags nicht mehr und er sprach auch nicht mehr über den Herrn - weder im Guten noch im Schlechten. Er schnitzte auch nicht mehr weiter an der wunderschönen Kinderkrippe für Rachels Baby, deren Schwangerschaft inzwischen bestätigt war, nachdem Pres sie sorgfältig untersucht hatte.
    Savannah fürchtete, dass Jacob sterben würde. Er nahm sich nur die Zeit dazu, aber es war klar, dass er den Kampf aufgegeben hatte.
    Wenn sie an Jacob dachte, fühlte sie sich manchmal schuldig wegen des persönlichen Glücks, das sie und Pres gefunden hatten. Sie machten bei jeder nur denkbaren Gelegenheit Liebe miteinander und dabei spielte es keine Rolle, dass ihr kleiner Ofen das Häuschen nur unzureichend wärmte, denn sie hielten einander warm. Pres hatte viele Patienten zu behandeln, die von überall her zu kommen schienen - von den umliegenden Farmen und Ran ches, aus den Bergen und vo n den Trails, die durch Spring water zogen. Savannah ging ihm dabei zur Hand und lernte, Wunden zu sterilisieren und wie man sie nähte, und sie konnte bald sogar gebrochene Knochen richten und schienen. Meistens kümmerte sie sich jedoch um die Kranken und Bettlägrigen, während Pres die größeren Sachen übernahm.
    Der Herbst stand vor der Tür, aber Jacobs Gemütsverfassung war unverändert. Savannah wusste, dass Pres ebenso oft an den alten Mann dachte wie sie selbst, er aber nicht wusste, wie er Jacob helfen konnte. Niemand brauchte ihr zu sagen, dass ihr Ehemann diese Situation während des Krieges häufig erlebt hatte und dass ihm das große Sorgen bereitete.
    Einige Frauen der Gemeinde hatten kein Hehl daraus gemacht, dass sie Savannah mit Misstrauen beobachteten. Offensichtlich glaubten sie, dass Savannah immer noch Federn und obszöne Kleider tragen würde und sich das Gesicht mit Farbe schminken würde, auch wenn sie ihren Mann bei seinen Hausbesuchen begleitete.
    In der letzten Septemberwoche gab es eine Reihe von sommerlichen Tagen mit blitzblauem Himmel. Es wurde ein großes Fest geplant, in der Hoffnung, dass sich dabei Jacobs Stimmung aufhellen würde. Am Sonntag, nachdem Landry Kildare eine Laienpredigt gehalten hatte, trugen die Männer der Stadt die Tische aus der Halle der Station und stellten sie im vertrockneten Gras unter Miss Junes sorgfältig getrimmten Bäumen auf. Das Essen, das die Frauen gekocht hatten,
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