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Ruf der Wildnis

Ruf der Wildnis

Titel: Ruf der Wildnis
Autoren: Jack London
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Männer waren, besonnen und gerecht und zu erfahren mit den Schlichen der Hunde, um von ihnen zum besten gehalten zu werden.
    Auf dem Zwischendeck der »Narwhal« kamen Buck und Curly noch mit zwei anderen Hunden zusammen. Der eine von ihnen war ein großer, schneeweißer Kerl aus Spitzbergen, der früher dem Kapitän eines Walfängers gehört und schon eine geologische Vermessungsexpedition in die Arktis begleitet hatte. Er war freundlich, aber heimtückisch, und wenn er am liebenswürdigsten war, sann er über irgendeine Lumperei nach. Gleich bei der ersten Mahlzeit stahl er aus Bucks Schüssel einen großen Fleischbrocken. Ehe sich Buck wehren konnte, sauste schon François’ Peitsche durch die Luft und traf den Rücken des Übeltäters, und Buck konnte sich seinen Knochen wieder zurückholen. Das war von François sehr, sehr anständig, fand er, und das Halbblut begann in seiner Achtung zu steigen.
    Der andere Hund, der noch da war, duldete keine Annäherung, war aber auch nicht darauf aus, den Neulingen etwas zu stehlen. Er war ein düsterer, mürrischer, in sich gekehrter Bursche, dem es am liebsten war, ungeschoren zu bleiben. Curly, die diesen Wunsch nicht respektierte und versuchte, sich anzubiedern, bekam ihn sofort von der unangenehmsten Seite zu spüren. Er wurde Dave genannt. Er fraß, schlief oder gähnte und kümmerte sich um nichts. Selbst als die »Narwhal« beim Überqueren des Königin-Charlotte-Sunds rollte, stampfte und bockte wie ein wildes Pferd und Buck und Curly halb wahnsinnig vor Angst außer sich gerieten, hob er nur verärgert seinen Kopf, blickte mürrisch um sich, gähnte und schlief weiter.
    Tag und Nacht stampfte das Schiff nach dem Takt der Maschine; ein Tag war wie der andere, aber Buck merkte ganz deutlich, daß die Luft rauher und kälter wurde. Eines Tages stand die Schiffsschraube still, und auf der »Narwhal« machte sich ein aufgeregtes Durcheinander bemerkbar. Die Hunde fühlten, daß es mit dem Einerlei des Bordlebens zu Ende war. François koppelte sie an und brachte sie an Deck. Beim ersten Schritt an Land sanken Bucks Füße in ein weiches, weißes Etwas, das fast wie Schlamm war. Schnaubend sprang er zurück. Auch vom Himmel fiel dieses weiße Zeug herab, und je mehr er versuchte, es abzuschütteln, desto mehr fiel auf ihn herunter. Er schnupperte neugierig daran herum und beleckte es vorsichtig mit der Zunge. Zuerst biß es wie Feuer, aber im nächsten Augenblick war es nicht mehr da. Das verwirrte ihn. Die Zuschauer brüllten vor Vergnügen, und Buck begann sich zu schämen. Er verstand nicht, warum sie lachten. Woher sollte er auch wissen, daß es Schnee war?

Kapitel 2. Das Recht des Stärkeren
    D er erste Tag auf dem Strand von Dyea war für Buck ein böser Alptraum. Was er sah, versetzte ihn in Erschrecken oder verblüffte ihn. Ohne Übergang war er von einem Leben in der Zivilisation in das der Wildnis geworfen worden. Das war kein träges, beschauliches Leben im Sonnenschein, hier gab es weder Ruhe noch Rast und keine persönliche Sicherheit. In jedem Augenblick drohte eine Gefahr. Man mußte ständig auf der Hut sein, denn hier herrschte weder Recht noch Sitte.
    Die Hunde waren keine Stadthunde und die Männer keine Stadtleute. Sie waren Wilde, die nur das Recht des Stockes und der Peitsche anerkannten. Nie hätte er solche Kämpfe für möglich gehalten, wie sie sich hier abspielten, und nie würde er den Tag vergessen, an dem er zum erstenmal einem solchen Kampf zusehen mußte, dem Curly zum Opfer fiel. Die Lehre, die er daraus zog, blieb ihm unvergeßlich.
    Sie lagerten in der Nähe eines großen Holzstoßes, als Curly in ihrer freundlichen Art an einem Wolfshund herumschnüffelte. Ohne Warnung, ohne Knurren machte der Köter einen blitzartigen Satz, ein metallisches Zuschnappen der Zähne folgte, und Curlys Schnauze war von den Augen bis zum Kiefer aufgerissen.
    Dieses blitzschnelle Zuschlagen entsprach der Kampfesweise der Wölfe, ebenso der weitere Verlauf des Streites. Dreißig oder vierzig Huskies, so hießen die zottigen Polarhunde, kamen herbeigelaufen und umkreisten schweigend mit einem gierigen Ausdruck die Kämpfenden.
    Buck verstand nicht, was sie wollten, begriff nicht diese schweigende Erwartung. Curly sprang in heller Wut auf ihren Gegner los, der aber geschickt auswich, gleichzeitig aber doch Gelegenheit fand, sie wieder zu beißen. Nochmals griff Curly an, und nochmals verstand der Wolfshund sich zu decken, dann warf er sich so kräftig auf
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