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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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that, mußte ich sie zurückweisen, da sie für meine Wohnung, meine Nahrung und Kleidung nicht ausreichend waren.
    Herr von Boze empfing mich sehr herzlich. Er liebte die Wissenschaft und war selbst sehr kenntnisreich, wenn auch ein wenig pedantisch. Frau von Boze hätte für seine Tochter gelten können; sie war blühend und spielte ein wenig die Herrin. Ich aß bisweilen bei ihnen. Man kann sich nicht linkischer und alberner betragen, als ich es ihr gegenüber that. Ihr ungezwungenes Auftreten schüchterte mich ein und ließ mein Benehmen nur noch lächerlicher erscheinen. Wenn sie mir einen Teller hinreichte, streckte ich die Gabel aus, um mir von dem, was sie mir anbot, blöde ein Stückchen zu nehmen, so daß sie den für mich bestimmten Teller einem Diener zurückgab, wobei sie sich umwandte, daß ich ihr Lachen nicht sähe. Sie hatte keine Ahnung, daß im Kopfe dieses Bauernjungen doch einiger Geist steckte. Herr von Boze stellte mich Herrn von Réaumure, seinem Freunde, vor, der an jedem Freitage, dem Versammlungstage der Akademie der Wissenschaften, bei ihm speiste. Er redete mit ihm von meinem Plane und von dem Wunsche, den ich hegte, ihn der Prüfung der Akademie zu unterwerfen. Herr von Réaumure übernahm es, den darauf bezüglichen Antrag zu stellen, der auch genehmigt wurde. An dem festgesetzten Tage wurde ich von Herrn von Réaumure eingeführt und vorgestellt, und noch an dem nämlichen Tage, den 22. August 1742, hatte ich die Ehre, der Akademie die Denkschrift vorzulesen, welche ich zu diesem Zwecke ausgearbeitet hatte. Obgleich diese erlauchte Versammlung sicherlich sehr Achtung gebietend war, fühlte ich mich in ihr doch weit weniger eingeschüchtert, als in der Gegenwart der Frau von Boze und ich zog mich bei dem Vorlesen und der sich daran schließenden Erörterung ganz leidlich aus der Sache. Die Denkschrift fand Beifall und ich erntete Glückwünsche ein, die mir eben so überraschend wie schmeichelhaft waren, da ich mir kaum zu denken vermochte, daß vor einer Akademie jemand, der kein Mitglied derselben war, gesunde Vernunft besitzen könnte. Mit der Prüfung meiner Vorlage wurden die Herren von Mairan, Hellot und von Fouchy beauftragt, alle drei sicherlich verdienstvolle Leute, aber von denen keiner musikalische Kenntnisse hatte, wenigstens nicht so viele, um im Stande zu sein, meinen Plan zu beurtheilen.

1742
    Während meiner Berathung mit diesen Herren überzeugte ich mich mit der größten Gewißheit wie zu meinem höchsten Erstaunen, daß diese Gelehrten, wenn sie bisweilen weniger Vorurtheile als andere Menschen haben, dafür um so stärker an diesen wenigen hängen. Wie schwach und falsch auch der größte Theil ihrer Einwürfe war und mit wie durchschlagenden Gründen ich auch darauf entgegnete, wenn auch, wie ich gern zugebe, schüchtern und in schlechtgewählten Ausdrücken, so gelang es mir doch nicht ein einziges Mal, mich verständlich zu machen und sie zu befriedigen. Ich war stets über die Leichtigkeit erstaunt, mit welcher sie mich vermittelst einiger hochklingenden Redensarten widerlegten, ohne mich auch nur verstanden zu haben. Sie kundschafteten aus, ich weiß nicht wo, daß ein Mönch, der Pater Souhaitti, sich einst vorgenommen hatte, die Tonleiter durch Zahlen auszudrücken. Dies genügte zu der Behauptung, daß mein System nicht neu wäre. Die Sache an sich mag ja richtig sein; denn obgleich ich nie von dem Pater Souhaitti gehört hatte und seine Art, die sieben Noten des Kirchengesanges ohne Rücksicht auf die Oktaven zu schreiben, in keinerlei Weise verdiente mit meiner einfachen und bequemen Erfindung verglichen zu werden, jede nur denkbare Musik, Schlüssel, Pausen, Oktaven, Takte, Tempo und Werth der Noten, lauter Dinge, an welche Souhaitti nicht einmal gedacht hatte, auf leichte Weise mit Zahlen zu bezeichnen, so war es nichtsdestoweniger ganz richtig zu behaupten, daß er als der erste Erfinder der angegebenen Bezeichnung der sieben Noten betrachtet werden mußte! Aber abgesehen davon, daß sie dieser ursprünglichen Erfindung eine größere Wichtigkeit beilegten, als sie hatte, blieben sie auch dabei noch nicht stehen, und sobald sie von dem eigentlichen Kern des Systems reden wollten, schwatzten sie nichts als lauter Unsinn. Der größte Vortheil des meinigen war, das Transponiren und die Schlüssel unnöthig zu machen, so daß durch die blose Aenderung eines einzigen Anfangsbuchstabens vor der Melodie das nämliche Musikstück nach Belieben in jeder Tonart
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