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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine
Autoren: Terry Pratchett
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neues Exemplar – ein ungewöhnlicher Umstand
    in Llamedos. In diesem Land zeichneten sich die meisten Harfen durch
    ein hohes Alter aus. Sie nutzten sich nicht wirklich ab. Manchmal muß-
    ten Rahmen, Hals oder einige Saiten ersetzt werden, aber die Harfe an
    sich blieb erhalten. Die alten Barden meinten, gute Harfen würden mit zunehmendem Alter noch besser. Al erdings neigen alte Männer von
    Natur aus zu solchen Bemerkungen, ungeachtet der täglichen Erfahrung.
    Imp zupfte an einer Saite. Der Ton hing eine Zeitlang in der Luft, be-
    vor er verschwand. Eine neue Harfe – und sie klang bereits wie eine
    Glocke. Unvorstel bar, was in hundert Jahren aus ihr werden mochte.
    Imps Vater hatte es Unsinn genannt und behauptet, die Zukunft sei in
    Stein gemeißelt und nicht in Form von Noten geschrieben. Damit hatte
    der Streit begonnen.
    Imp hatte Dinge gesagt, und sein Vater ebenfal s, und plötzlich ver-
    wandelte sich die Welt in einen neuen, unangenehmen Ort, denn Ausge-
    sprochenes ließ sich nicht zurücknehmen.
    »Du hast überhaupt keine Ahnung!« hatte Imp gerufen. »Du bist nur
    ein dummer Alter! Ich widme mein Leben der Musik! Irgendwann wer-
    den alle Leute sagen, ich sei der beste Musiker auf der ganzen Welt gewesen!«
    Dumme Worte. Barden scherten sich nur um die Meinung anderer
    Barden, die ein ganzes Leben lang lernten, wie man sich Musik anhörte.

    Törichte Worte, ja, aber ausgesprochen. Wenn man sie mit dem richti-
    gen Maß an Leidenschaft formuliert, und wenn sich die Götter außer-
    dem so langweilen, daß sie auf solche Dinge achten… dann kann es ge-
    schehen, daß der Kosmos eine neue Form annimmt. Worte sind immer
    mächtig genug, die Welt zu verändern.
    Man sol te sich genau überlegen, welchen Wunsch man laut ausspricht.
    Man weiß nie, wer zuhört.
    Oder was zuhört.
    Vielleicht treibt gerade etwas durchs Universum. Die falschen Worte
    von der falschen Person zum richtigen Zeitpunkt führten viel eicht dazu,
    daß es seinen Kurs ändert…
    Weit entfernt, in der turbulenten Metropole Ankh-Morpork, krochen
    Funken über eine kahle Wand, und dann…
    Dann gab es dort ein Geschäft, das alte Musikinstrumente anbot. Nie-
    mand wunderte sich darüber. Kaum war der Laden erschienen, hatte es
    ihn schon immer gegeben.

    Tod starrte ins Nichts, das knöcherne Kinn auf die Hand gestützt.
    Albert näherte sich vorsichtig.
    In seinen introspektiven Momenten – und dies war einer – fragte sich
    Tod oft, warum der Diener stets den gleichen Weg nahm.
    ICH MEINE, WENN MAN DIE GRÖSSE DES ZIMMERS
    BEDENKT…, dachte er.
    Es erstreckte sich bis in die Unendlichkeit. Besser gesagt, es kam der
    Unendlichkeit so nahe, daß der Unterschied keine Rolle spielte. Der
    Raum durchmaß etwa anderthalb Kilometer. Das ist ziemlich viel für ein
    Zimmer. Die Unendlichkeit hingegen sieht man kaum.
    Tod hatte gewisse Dinge durcheinandergebracht, als er das Haus schuf.
    Er fühlte sich keineswegs verpflichtet, Zeit und Raum zu gehorchen.
    Diese Kategorien waren für ihn nur etwas, das er ganz nach Belieben
    manipulieren konnte. Zum Beispiel waren die inneren Dimensionen des
    Gebäudes zu großzügig gestaltet. Er hatte vergessen, das Haus außen
    größer werden zu lassen als innen. Ähnliches galt für den Garten. In
    einem aufmerksamen Moment stellte er fest, daß andere Leute Farben

    für wichtig hielten, zum Beispiel bei Rosen. Tods Rosen waren schwarz.
    Schwarzes gefiel ihm, es paßte zu al em. Früher oder später wurde alles schwarz.
    Die ihm bekannten Menschen – einige von ihnen hatte er näher ken-
    nengelernt – reagierten seltsam auf die unmöglichen Ausmaße der Zim-
    mer: Sie achteten einfach nicht darauf.
    Wie Albert. Die große Tür hatte sich geöffnet, und der Diener war ein-
    getreten, mit einer Tasse, die er vorsichtig auf der Untertasse balancier-
    te…
    Und dann stand er plötzlich in der Mitte des Zimmers, am Rand des
    quadratischen Teppichs, der sich unter dem Schreibtisch erstreckte. Tod
    fragte sich nicht mehr, wie Albert die Strecke von der Tür zu seinem
    Arbeitsplatz zurücklegte, weil er erkannte: Für seinen Diener existierte
    die Strecke überhaupt nicht…
    »Ich habe dir Kamillentee gebracht, Herr«, sagte Albert.
    HMM?
    »Herr?«
    ENTSCHULDIGE. ICH BIN GANZ IN GEDANKEN
    GEWESEN. WAS HAST DU GESAGT?
    »Kamillentee?«
    ICH DACHTE, AUS KAMILLE MACHT MAN SEIFE.
    »Seife und auch Tee, Herr«, erwiderte Albert. Besorgnis erfaßte ihn. Er war immer besorgt, wenn Tod begann, über
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