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Ritual - Höhle des Schreckens

Titel: Ritual - Höhle des Schreckens
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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stumm zurück.
    Ein mondweißes, unförmiges Gesicht tauchte im Viereck des Fensters auf und schob es wieder hoch. Und da sah sie, dass das Gesicht gar nicht weiß, sondern mit Blut besudelt und übel zugerichtet war. Fast im selben Moment erkannte sie den bestialischen Gestank wieder, der ihr panische Angst einflößte und grässliche Erinnerungen in ihr wachrief.
    Sie zog sich schrittweise zur Tür zurück. Unterwegs fischte sie das Mobiltelefon aus ihrer Hose und drückte mit zitternden Fingern zweimal die Anruftaste, sodass sich der Teilnehmer melden musste, der sie zuletzt angerufen hatte: Pendergast.
    Ein Pranke drückte den Aluminiumrahmen des Fensters ein, Glas splitterte, Scherben fielen auf den Boden.
    Corrie drehte sich um und rannte barfuß los – durch den kurzen Flur ins Wohnzimmer und weiter in Richtung…
    Wieder ein kraftvoller Schlag, die Wohnwagentür flog auf. Und auf einmal stand er vor ihr: Job. Er lebte! Ein Auge schien zu fehlen, eine gelbliche Flüssigkeit tröpfelte aus der leeren Höhle. Die lächerliche, unpassende Kinderkleidung war verschmutzt und mit Blut verkrustet. Der eine Arm hing – offenbar gebrochen – schlaff herunter, aber der andere langte nach ihr.
    »Muuuhhh!«
    »Nein!«, schrie sie. »Nein, geh weg!«
    Er stieß ein unverständliches keuchendes, röhrendes Plappern aus. Sie machte kehrt, rannte in ihr Zimmer zurück und schob von innen den Riegel vor. Ein einziger Schlag genügte, um die Verriegelung aufzubrechen. Ohne auf die herumliegenden Glasscherben zu achten, versuchte Corrie, ihrem Verfolger durch das aufgebrochene Fenster zu entkommen. Wenn es ihr gelang, bis zur Hauptstraße zu kommen, hatte sie vielleicht eine Chance, sich zu verstecken, ein Auto anzuhalten oder weiß Gott was zu tun! Bis zur Einfahrtschranke waren es nur dreißig Meter.
    Sie hetzte an den Wohnwagen vorbei. Aber dicht hinter ihr muhte, röhrte und brabbelte es schon wieder. Sie riskierte einen hastigen Blick nach hinten und sah, dass Job in unglaublichem Tempo wie ein Känguru an ihr vorbei durch das Gras hüpfte. Er wollte sie offensichtlich überholen, um ihr den Weg abzuschneiden.
    In ihrer Verzweiflung änderte Corrie ihre Taktik, schlug immer wieder neue Haken und rannte schließlich blindlings ins offene Gelände hinter den Wohnwagen.
    Und auf einmal hörte sie schwach und verschwommen eine Stimme aus dem Mobiltelefon. Sie riss es hoch, drückte es ans Ohr und hörte Pendergast in beruhigendem Ton sagen: »Ich komme, Corrie, ich bin gleich da!«
    »Bitte, machen Sie schnell!«, schrie sie zurück. »Er wird mich umbringen!«
    »Ich komme so schnell wie möglich. Rennen Sie, Corrie, laufen Sie um Ihr Leben!«
    Sie schwang sich, fast am Ende ihrer Kräfte, über den Zaun an der Grenze zu den abgeernteten Maisfeldern, schnitt sich an den scharfen Stoppeln die Füße wund und hämmerte sich unablässig ein, dass sie nicht aufgeben dürfe.
    »Muh! Muh! Muuuhhhh!«
    Er musste dicht hinter ihr sein. Ihr wurde klar, dass sie ihm nicht entkommen konnte. Auch wenn sich Pendergast noch so sehr beeilte, er würde zu spät kommen.
    Was blieb ihr noch? Bis zum Bachufer schaffte sie es nie und nimmer. Sie hatte sogar den Eindruck, in die falsche Richtung zu rennen, immer weiter von der Stadt weg.
    Irgendwo in der Ferne hörte sie eine Polizeisirene. Viel zu weit weg, als dass Pendergast rechtzeitig bei ihr sein konnte. Es gab nichts, was sie retten konnte. Job würde sie einholen, sie packen, ihr von hinten den gesunden Arm um den Hals legen und sie erwürgen oder ihr das Genick brechen.
    Sie blieb stehen, fuhr herum und rief mit flehentlicher Stimme: »Job!« Sie keuchte vor Anstrengung. Irgendwie musste sie ihm klar machen, dass sie ihm nicht feindlich gesinnt war.
    »Job, warte…«
    Aber es war schon zu spät. Die mächtige Pranke holte aus und versetzte ihr einen Schlag, der sie zu Boden warf. Job beugte sich mit unverständlichem Lallen über sie und sprühte ihr, die Pranke wieder zum Schlag gereckt, einen Schwall Speichel ins Gesicht.
    »Wir sind Freunde!«, schrie sie verzweifelt.
    In Erwartung des tödlichen Schlags schloss sie die Augen. Eigentlich war es nur der Versuch, sich von ihren Ängsten abzulenken, als sie haspelnd sagte: »Wir sind Freunde! Ich will deine Freundin sein!« Mit keuchendem Atem wiederholte sie ein ums andere Mal unter Schluchzen: »Deine Freundin, deine Freundin, deine Freundin…«
    Stille. Nichts geschah. Sie schluckte und schlug zaghaft die Augen auf.
    Die Faust
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