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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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fürchtete, der alte Feldherr möchte von seinen früheren Kriegen zu erzählen anfangen, und ging darum auf ein anderes Thema über.
    „In der Nähe von Preneste“, sagte er, „fanden Landleute einen toten jungen Wolf mit zwei Köpfen; und fast gleichzeitig wurde während eines Gewitters ein Teil des Lunatempels vom Blitze zerstört, etwas Unerhörtes im Spätherbst. Ein gewisser Cotta, der diese Nachrichten brachte, fügte bei, daß die Priester des Tempels den Untergang Roms oder wenigstens den Fall eines mächtigen Hauses prophezeiten – eine Katastrophe, die nur durch außergewöhnliche Opfer abgewendet werden könne.“
    Aulus Plautius sprach die Ansicht aus, daß solche Wahrzeichen nicht ignoriert werden dürften und daß vielleicht die Götter infolge des Übermaßes von Gottlosigkeit erzürnt seien. Das sei nicht verwunderlich, und in solchem Falle wären Sühnopfer ganz am Platze.
    „Dein Haus, Plautius, ist nicht allzu groß“, antwortete Petronius, „obschon ein großer Mann darin wohnt. Meines ist viel zu groß für den Bösewicht, dessen Eigentum es ist. Wenn aber etwas so Großes, wie zum Beispiel die Domus transitoria, auf dem Spiel stände, würde es sich für uns wohl lohnen, Opfer darzubringen, um den Ruin aufzuhalten?“
    Plautius schwieg auf diese Frage, eine Vorsicht, die Petronius unangenehm berührte; denn trotz seiner Unfähigkeit, Gutes vom Bösen zu unterscheiden, hatte er sich niemals zum Zuträger erniedrigt. Er lenkte darum das Gespräch ab, indem er Aulus’ Wohnung und den guten Geschmack, der sich darin kundgab, zu rühmen begann.
    „Es ist ein alter Familiensitz“, sagte Plautius, „seitdem ich ihn als Erbe in Besitz genommen, ist nichts daran geändert worden.“
    Der Vorhang zwischen Atrium und Tablinum wurde weggeschoben, und das Haus war von einem Ende zum andern sichtbar, so daß der Blick durch das Tablinum, das daranstoßende Peristyl und den darunterliegenden Saal, den Oecus, bis zum Garten gelangte, der sich in dieser Entfernung wie ein helles Bild in dunklem Rahmen ausnahm. Fröhliches Gelächter drang ins Atrium.
    „Gestatte uns, Feldherr“, sagte Petronius, „jenem frohen Lachen, das man heutzutage so selten hört, in der Nähe zu lauschen.“
    „Gern“, antwortete Plautius, sich erhebend, „mein kleiner Aulus und Lygia spielen dort Ball. Was das Lachen betrifft, so glaube ich, Petronius, daß du dein ganzes Leben lang nichts anderes tust.“
    „Das Leben verdient, daß man darüber lacht“, versetzte Petronius, „aber dieses Lachen hat einen ganz anderen Klang.“
    „Petronius lacht oft tagelang nicht“, fiel nun Marcus ein, „dann aber lacht er wieder ganze Nächte in einem fort.“
    So plaudernd, durchschritten sie das Haus der Länge nach und gelangten in den Garten, wo Lygia und der kleine Aulus mit Bällen spielten, die von eigens für dieses Spiel bestimmten Sklaven, den Spheristae, aufgefangen und zurückgeworfen wurden. Petronius warf schnell einen Blick auf Lygia, während der kleine Aulus herbeisprang, um Marcus zu begrüßen. Doch dieser schritt vorwärts und neigte sich vor dem schönen Mädchen, das mit einem Ball in der Hand dastand und errötete.
    In dem von Efeu, Reben und Geißblatt beschatteten Gartentriclinium saß Pomponia Graecina; die Ankommenden beeilten sich, sie zu begrüßen. Petronius kannte sie wohl, denn er hatte sie bei Antistia, der Tochter des Rubelius Plautius, und auch im Hause des Seneca und bei Pollion gesehen. Er konnte nicht umhin, ihr ernstes, mildes Antlitz, ihr würdevolles Benehmen, ihre Bewegungen und ihre Redeweise zu bewundern. Pomponia widersprach so sehr seiner Ansicht über Frauen, daß dieser Mann, bis ins Mark verderbt und skeptisch wie kein zweiter in Rom, nicht bloß eine gewisse Achtung vor ihr fühlte, sondern sogar seine Selbstsicherheit ihr gegenüber verlor. Und als er ihr jetzt für ihre Sorge um Marcus dankte, entschlüpfte ihm, gleichsam unwillkürlich, das Wort „Domina“, das er sonst, zum Beispiel bei Calvia Crispinilla, Scribonia, Valeria Solina und anderen Frauen von hohem Range, niemals gebrauchte. Nachdem Grüße gewechselt und Dank erstattet war, bedauerte er, sie nicht öfter zu sehen, ihr nie im Zirkus oder im Amphitheater zu begegnen, worauf sie, die Hand in die ihres Gatten legend, ruhig erwiderte:
    „Wir beide sind alt geworden und lieben immer mehr die Ruhe unseres Hauses.“
    Petronius wollte eine Einwendung machen, allein Aulus Plautius kam ihm zuvor, indem er mit seiner
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