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Quitt

Quitt

Titel: Quitt
Autoren: Theodor Fontane
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Vorgesetzte hat und daß man dem Staat dient und daß man mitzählt. Alles andere gilt nicht, und wenn es gelten will, ist es Hochmut und Unsinn. Und der Frau Rätin, wenn ich ihr oben im Gebirge begegne, vielleicht mit dem Kowalski, werd ich ein Kompliment bestellen, ein Kompliment von ihrem neuen Ritter Wonneberger, Ritter und Schulmeister, der hoch von ihr denkt. Na, ich nicht.
Ich
wollte sie schon ziehen. Spät is es, aber besser spät als gar nicht... Und nun Gott befohlen, Wonneberger. Und nehmen Sie sich in acht, wenn Sie weiter hin übers Wasser müssen; die Brücke ist weggeschwemmt, und die Steine sind glatt, und Sie sind nicht mehr ganz fest auf den Beinen. Adieu, Wonneberger. Sie sind eigentlich ein guter Kerl, eine gute Schulmeisterseele. Kommen Sie her, Sie sollen noch einen Kuß haben.«
    Und nun schieden sie wirklich, und während der Lehrer höher bergan stieg, stieg Opitz einen Abhang nieder, der ihn unten, an einem Waldsaume hin, auf die Wolfshauer Gemarkung führte. Freundliche Häuser waren über einen weiten Wiesengrund hin ausgebreitet, durch den die Lomnitz schoß, an deren diesseitigem Ufer das Forsthaus, mit dem Hirschgeweih am Giebel, aufragte. Opitz, der jeden Steg kannte, nahm seinen Weg über eine hoch in Blumen und Gräsern stehende Wiese hin, und eh er noch bis auf hundert Schritt an seine Gartenpforte heran war, schlug der große Kettenhund an, und die bis dahin stumm hinter ihm hertrollende Diana antwortete mit einem kurzen Blaff.
    Und wenige Minuten später überschritt Opitz die Schwelle seines Hauses.
     
    Frau Opitz, eine hagere Frau mit tiefliegenden dunklen Augen, die mal schön und lachend gewesen sein mochten, jetzt aber nur noch geängstigt in die Welt blickten, empfing ihren Mann und fragte, ob sie decken und das Mittagbrot auftragen solle.
    So geängstigt die Worte klangen, so klang doch auch was von Vorwurf und Anklage heraus, was Opitzen, trotz seiner Umnebeltheit, nicht entging.
    »Ach was, Bärbel. Mittagbrot. Was soll das wieder? Wenn ich nicht da bin, bin ich nicht da. Du sollst nicht auf mich warten, ein für allemal. Alles bloß Eigensinn, und mir zum Tort wird das Essen beiseite gestellt und schmort in der Schüssel, daß es wie Leder aussieht und wie Leder schmeckt. Ich will Ordnung und Stunde halten, so soll's sein, und wenn ich die Stunde
nicht
halte, weil ich sie mal nicht halten will, nun dann will ich sie nicht halten und will nicht dran erinnert sein, am wenigsten durch deinen Schmorbraten und dein Jammergesicht, in dem immer so was liegt, was mich ärgert und was ich nicht leiden kann.«
    Diana, müde von dem weiten Marsche, war auf den Großvaterstuhl gesprungen und wollte sich's eben bequem machen. Aber das paßte Opitzen schlecht. »Ist denn alle Welt verrückt geworden?« Und den Hund beim Fell packend, warf er ihn auf die Erde und gab ihm einen Fußtritt. Dann ging er auf einen Schrank zu, nahm eine mit Rohr umflochtene Flasche heraus und trank. Es war Kirschwasser, zu dem er, mit oder ohne Grund, das Vertrauen hatte, daß es »niederschlage«. Dann hing er den Staatsrock an den Riegel, machte die Krawatte weiter und warf sich, einen Stuhl heranschiebend, aufs Bett. Und keine halbe Minute mehr, so hörte man nur noch sein Atmen und Schnarchen. Diana kroch unter den Stuhl, und die Frau Försterin verließ leise die Stube, draußen in der Küche aber setzte sie sich zwischen Wand und Herd und ließ sich von Christine, die seit etwa zwei Jahren in ihrem Dienste stand, die Kaffeemühle geben und begann sofort ein allerintimstes Gespräch. Denn in einem ihr eigentümlichen Klageton über Ehe zu sprechen war ihr so ziemlich das Liebste vom Leben, auf das sie nicht verzichten mochte, trotzdem sie wohl wußte, daß Christine durchaus abweichender Meinung war.
    »Es war ihm wieder nicht recht, Christine. Und wenn ich es
nicht
warm stelle, ist es auch nicht recht. Er redet immer von Ordnung, aber jeden Tag hat er eine andere. Heb ich was auf, weil er zu spät kommt, dann ist zwölf Uhr Ordnung und darf nichts aufgehoben werden, und heb ich nichts auf, dann ist es Ordnung, daß eine Frau was aufhebt. Und immer grob und bullrig. Ich sage dir, Christine, heirate nicht! Du steckst so mit dem Lehnert zusammen, aber glaube mir, einer ist wie der andere.«
    »Nein, Frau Försterin, Lehnert ist doch ganz anders.«
    »Ja, das sagt ihr, das sagt jede; jede denkt, ihrer ist besser und ihr wird der Kuchen apart gebacken. Aber dem ist nicht so. Freilich hat er nicht solchen
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