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PR 2706 – Sternengrab

PR 2706 – Sternengrab

Titel: PR 2706 – Sternengrab
Autoren: Michael Marcus Thurner
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war.
    »Was ist los ...?«, fragte Bull den Ferronen.
    »Es wird immer schlimmer. Schau es dir selbst an!« Er tastete nach seinem handgroßen Diagnosegerät, drückte auf einige Felder und reichte ihm jene dünne Speicherfolie, die das Instrument ausspuckte. Dann eilte er weiter und legte die Folie in seinen Armbandkom. Sie zeigte die Anamnesen mehrerer Kranker. Die Fälle ähnelten einander, ohne aber völlig identisch zu sein.
    Viele Patienten klagten über Rücken-, Brust-, Bauch- oder Gliederschmerzen. Die Attacken erfolgten in Abständen von drei bis dreißig Minuten. Dazu kamen Kopfweh, Brechreiz, Atemnot. Einige stationär aufgenommene Besatzungsmitglieder gaben sich ungewöhnlich aggressiv, andere litten unter Blind- und Taubheit. Ein weiterer gemeinsamer Nenner waren Ödeme in der Lunge, die binnen weniger Minuten akut werden konnten.
    »Die JV-1 ist isoliert«, meldete sich NEMO zu Wort.
    »Gut so. Lass uns hoffen, dass es nicht zu spät ist. Und jetzt möchte ich von dir endlich Resultate hören, was die Atemluftuntersuchung betrifft!«
    NEMO schwieg.
     
    *
     
    Es war still geworden in der Zentrale. Täuschte Bull sich, oder rückten die anderen Besatzungsmitglieder von ihm ab? Immer wieder trafen ihn misstrauische Blicke.
    Der Raum kam ihm öde und leer vor. Leblos. Deutlicher als jemals zuvor wurde Bull bewusst, dass sie in einer winzigen Biosphäre saßen, die ihnen ein Überleben im sonst lebensfeindlichen Vakuum des Weltraums erlaubte. Sie waren so anfällig, waren so sehr auf das Funktionieren von Maschinen angewiesen. Darauf, dass man sich gegenseitig respektierte, einander vertraute und in jeglicher Beziehung gut zusammenarbeitete. In einer vergifteten Atmosphäre wie jener, die zurzeit in der JULES VERNE herrschte, war ein Scheitern vorprogrammiert.
    Bull kratzte sich an der linken Schulter. Er meinte, den darunter liegenden Zellaktivator zu spüren. Wie er arbeitete, wie er ihn Sekunde für Sekunde vor dem Tod bewahrte. Einem Tod, der schon vor langer, langer Zeit hätte eintreten müssen.
    Auch diesmal würde ihn das Gerät beschützen. Es war kaum anzunehmen, dass die kursierende Krankheit, die nun auch im offiziellen Bordjargon als epidemisch bezeichnet wurde, ihm etwas anzuhaben vermochte.
    Jawna Togoya beugte sich zu ihm. »Unsere beiden Mediker sind sich nun sicher, dass die Patienten unter Vergiftungserscheinungen leiden.«
    Sie zögert. Ein ungewöhnliches Verhalten für die Posbi-Frau.
    »Sei-bei-mir konnte endlich eine Diagnose stellen. Er meint, dass es sich bei den Schadstoffen um eine hochkomplexe Mischung aus Hydrolasen sowie anderen Proteinen, Polypeptiden und weiteren Bestandteilen handelt ...«
    Bull stutzte. »Moment mal! Er redet von Schlangengift?«
    »Nein. Die biochemische Analyse ergibt eine gewisse Verwandtschaft zu Schlangengift, und der Wirkstoff scheint auch auf komplexe Weise organisch gebildet zu werden. Aber es gibt zwei wichtige Unterschiede.«
    »Und zwar?«
    »Erstens: Das Gift entsteht offenbar erst im Körper des Vergifteten ...«
    »Ein Mehrkomponentengift!«
    »Ganz richtig. Die einzelnen Bestandteile sind für sich allein jeweils völlig harmlos. Deshalb konnten die Mediker und Biologen bislang auch noch keine Nachweise erbringen.«
    »Und zweitens?«
    Die Posbi-Kommandantin zog ein schalldämmendes Feld rings um sie beide. Leise sagte sie: »Das Gift ist wandelbar. Und damit unangreifbar.«
    Bulls Gedanken rasten. Es war also wie ein rasch mutierender Virus, das nicht zu analysieren und damit auch nicht zu bekämpfen war.
    »Irrtum ausgeschlossen?«, hakte Bull nach.
    »Du kennst Sei-bei-mir. Er würde niemals etwas behaupten, wenn er sich nicht hundertprozentig sicher wäre. Er sieht keine Möglichkeit, ein Gegenmittel zu synthetisieren.«
    »Verstehe. Wie sieht er den Verlauf der Epidemie?«
    »Aufgrund der Wandelbarkeit des Gifts steht zu befürchten, dass es jedes einzelne Besatzungsmitglied an Bord der JV-1 erwischen wird.«
    »Mit Ausnahme von dir und von mir.«
    »Ganz richtig.«
    »Wie sieht es in den beiden anderen Schiffsteilen aus?«
    »Bislang ist noch alles ruhig. Die Mediker im Mittelteil und in der JV-2 stehen mit unseren in steter Verbindung und achten auf die üblichen Symptome. Es gibt eine Häufung bei Kopf- und Gliederschmerzen, aber das kann auch mit der derzeitigen Ungewissheit zu tun haben.«
    »Dann lass uns das Beste hoffen.« Bull beglückwünschte sich zu dem Entschluss, die Schiffsteile rasch voneinander zu trennen. Mit etwas
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