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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
Autoren: Jan Beinssen
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prompt mit einem Gegenversuch: »Und wie laufen deine Geschäfte? Hab gehört, du suchst Aufträge? Zu viel Konkurrenz auf dem Markt, habe ich Recht?«
    »Ich kann nicht klagen«, log Paul, der sich der Unterhaltung im Geschiebe und Gedränge der Menschenmenge so schnell wie möglich entziehen wollte. Zumal er – immer, wenn er Lenny traf – an seine eigene Zukunft denken musste und sich fragte, ob auch er weit über die Pensionsgrenze hinaus mit der Kamera unterm Arm durch die Gegend tingeln musste.
    »Junger Kollege«, ließ ihn Lenny nicht ziehen, »wenn es mit der Werbefotografie im Moment nicht zum Besten steht, kannst du jederzeit wieder bei uns einsteigen. Wir brauchen immer mal einen Springer – und ich werde mit meinen sechsundsiebzig Jahren bald kürzer treten müssen.«
    »Ja, ja«, wiegelte Paul ab und zog seinen Kragen enger zusammen. »Ihr braucht einen wie mich vor allem an den Wochenenden, wenn ihr selbst keine Lust zum Arbeiten habt, stimmt’s?«
    »Zum Beispiel«, gab Lenny mit ehrlichem Lächeln zu. Dann verkrampfte sich sein drahtiger Körper plötzlich, und Lenny begann seine Jacke nach irgendetwas zu durchsuchen. »Mein Piepser«, sagte er zur Erklärung.
    Flemming wurde neugierig, zumal er im Hintergrund abermals eine Sirene zu hören glaubte. »Was ist denn los?«, fragte er, während sich beide an einem Lebkuchenstand vorbei eine Schneise in weniger belebte Regionen des Marktes bahnten.
    »Eine Mitteilung vom Polizeipräsidium«, Lenny ließ sein Benzinfeuerzeug aufflackern und entzifferte mühsam den Text auf dem Piepser: »Zwischenfall Christkindlesmarkt – Männliche Person von Fleischbrücke gestürzt – Feuerwehr und BRK zur Unterstützung angefordert.« Gleich darauf klingelte sein Handy. Abermals durchsuchte Lenny ebenso umständlich wie hektisch seine Jacke. »Keine Zeit!«, schnauzte er in den Hörer. Dann sagte er dreimal knapp »Ja« und legte auf.
    »Wer war’s?«, fragte Paul, dessen weihnachtliche Stimmung längst einer kribbelnden Neugierde gewichen war.
    »Victor«, sagte der andere kurz angebunden.
    »Dein Chef?«
    Lenny nickte. »Wir müssen uns sofort auf den Weg machen.«
    »Wir?«, fragte Flemming.
    »Du willst doch wieder ins Spiel kommen, oder habe ich dich falsch verstanden?«, frotzelte Lenny und schoss mit einem für sein Alter erstaunlichen Tempo durch die Weihnachtsgemeinde.
    Die Fleischbrücke bot ein spektakuläres Bild: Die festliche Illumination wurde ergänzt durch das rotierende Blaulicht von Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen. In aller Eile war ein Suchscheinwerfer aufgestellt worden, der von der steinernen Brüstung der Brücke ins schwarze Wasser der Pegnitz hinabstrahlte.
    Lenny drängte sich an den Schaulustigen vorbei, hob das rotweiße Flatterband, das die Polizei zur Absperrung angebracht hatte, und steuerte mit Paul im Schlepptau zielgenau einen Feuerwehrwagen an, von dessen Dach gerade ein Schlauchboot herabgelassen wurde.
    Eine zierliche Figur im beigen Trenchcoat und mit strähnigen grauen Haaren gesellte sich zu ihnen: Victor Blohfeld.
    »Ziemlich spät dran, Lenny. Versagen die alten Beine allmählich ihren Dienst?«, fragte er zynisch.
    Paul bemerkte, dass Lenny den Polizeireporter seines Boulevardblatts ganz bewusst ignorierte und stattdessen seine Kamera einsatzbereit machte. Auch Paul griff nun nach seiner Fotoausrüstung. »Nach wem fischen sie denn?«, fragte er.
    »Das werden wir gleich sehen«, antwortete Lenny und machte plötzlich einen Satz zur Seite. Er lehnte sich weit über die Brüstung und ließ das Blitzlicht seiner Canon aufflackern.
    »Da hinten ziehen sie etwas an Land. Wir müssen schnell rüber zur Liebesinsel.«
    Mit Paul und den beiden Reportern setzte sich ein Team von Feuerwehrmännern und Rettungssanitätern in Bewegung. Sie drängten sich an Gaffern und Christkindlesmarktbesuchern vorbei, zwängten sich durch den Torbogen am alten Fleischhaus und hasteten die Treppenstufen bis zu der kleinen Halbinsel hinab, die in nahezu vollständiger Dunkelheit lag.
    »Den Scheinwerfer hierher!«, brüllte ein Polizist.
    Paul, der vom Rennen und von der Aufregung unter seinem Wintermantel zu schwitzen begann, erkannte am Ufer der Liebesinsel zwei Polizisten, die etwas Unförmiges aus dem Wasser hievten.
    Der Scheinwerfer wurde in Position gebracht. Paul tat es Lenny gleich und hielt seine Kamera schussbereit. Ein Notarzt unterstützte zwei Rettungssanitäter, die einen völlig durchnässten Körper auf die Seite zu drehen
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