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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille
Autoren: Anne Chaplet
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Kommode, reißt den dreiarmigen Kerzenständer mit sich, stolpert über den offenen Schiffskoffer, der auf dem Boden steht, fällt, prallt mit dem Kopf gegen die Kante des großen Koffers, sie hat schon gepackt, das Biest, die Hexe, diese verlogene Schlampe, sie hat schon gepackt.
     
    Coming back to me
    Coming back to me
    Coming back to me
     
    Sophie starrte auf den leblosen Körper. Dann hob sie ihn auf und legte ihn aufs Bett. Sanft und zärtlich und voller Liebe.
    »Bleib bei mir«, sagte sie.

11
    Es war wie ein Tanz.
    Marianne kam von links, von rechts kam Erwin, und von oben stieß Gottfried hinzu. Langsam, gravitätisch. Vor sich die Schneeschieber, die Schneisen in den weißen Schnee frästen.
    »Hab ich es nicht gesagt?« sagte Marianne, als die drei vor Paul Bremers Haus zusammentrafen.
    Erwin räusperte sich und spuckte aus. Gottfried lächelte zustimmend. Sie hatte es gesagt. Er hatte es gesagt. Auch ein außergewöhnlich schönes und sonniges Frühjahr kann niemanden täuschen, der seine Erfahrungen mit der Witterung hat. »Es gibt noch mal Schnee.«
    Und das war auch gut so. So ein weißes Leichentuch deckt viele Wunden zu. Sogar die Erinnerung an alte Geschichten.
     
    »Ach, Lilly.« Wilhelm drehte sich auf die andere Seite. »Laß doch.«
    »Aber es schneit.«
    »Laß es schneien.«
    »Die Nachbarn räumen schon, hörst du?«
    Ja, da war es, das Schaben und Scharren, das einem im Winter jeden Morgen vergällte. Meistens stand er um diese Uhrzeit selbst da draußen, und dann machte das nichts. Nur heute. Heute wollte er weiterschlafen.
    »Laß sie räumen.«
    »Wilhelm!« Sie flüsterte.
    Aber das hörte er nicht mehr. Alles mündete in einen langen, tiefen Traum, in dem der Schnee sich über ihn legte und ihn wärmte.
     
    »Was ist denn das für eine Berufsauffassung?« Kosinski hob den Kopf vom Kissen und sah sein Eheweib fassungslos an.
    »Es ist alles zugeschneit. Da laß ich das Auto lieber stehen.« Beate, die sonst immer Wert darauf legte, pünktlich in ihrer Bibliothek zu sein.
    »Soll ich dich fahren?«
    Sie zog einen Flunsch und kuschelte sich an ihn. »Ich möchte lieber bei dir bleiben.«
    Gregor Kosinski hörte das Telefon. Und beschloß, es zu überhören.
     
    Ulla Abel schob den Schneeschieber durch das luftige Weiß, das aufstob und dann wieder herunterrieselte. So kriegte sie die Straße nie frei.
    Niemand sonst war um diese Tageszeit draußen zu sehen, dabei war das Schneeräumen Pflicht, besonders hier, wo die Gemeinde nicht räumen ließ. Wenigstens die Bürgersteige mußten frei sein. Wenn etwas passierte …
    Ulla Abel hielt inne. Was sollte passieren? Daß Peter auf die Nase fiel? Daß Sophie Winter ausrutschte und sich einen ihrer gewiß hinreißenden Knöchel brach?
    Sie fischte eine Zigarette und das Feuerzeug aus der Jackentasche, zündete sich eine Kippe an und inhalierte tief. Sie würde fortgehen. Bald. Seit sie wußte, was Peter hinter ihrem Rücken trieb, hatte sie sich entschieden. Sie wartete nur noch auf den richtigen Moment.
    Die weiße Katze stand vor Sophie Winters Gartentor und tupfte mit der Pfote in den Pulverschnee, als ob es Sahne wäre. Dann hüpfte sie in Bocksprüngen zurück ins Haus.
    Ulla sah ihr hinterher. Und dann sah sie auf.

12
    »Ich dachte nur: Jetzt hat er sie umgebracht.«
    Die Feuerwehrsirene mußte die halbe Bevölkerung von Klein- und Groß-Roda zur Siedlung gelockt haben. Ulla Abel stand inmitten der Nachbarn und Neugierigen, einige in dicken Jacken, andere viel zu leicht angezogen für die Kälte.
    »Die ganzen letzten Tage hatte ich so ein Gefühl …«
    Der Schneeschieber lehnte am Gartenzaun. Der Schnee hatte den Bürgersteig längst wieder weiß überpudert, den Ulla freizuräumen versucht hatte, bevor das Unfaßbare geschah.
    »Und als ich ihn aus dem Haus kommen sah, wußte ich es.«
    »Wie schrecklich«, murmelte jemand neben Bremer. Bremer nickte und versuchte die Lage zu erfassen. Sein Atem dampfte. Marianne war da und Willi, Erwin und Marie. Wo um Himmels willen war Gottfried?
    Er hörte die Umstehenden raunen. Die Männer von der freiwilligen Feuerwehr kamen aus Sophie Winters Haus gelaufen. »Feuer aus«, flüsterte Otto Busse, der ein paar Schritt neben Bremer stand und gebannt nach vorne starrte. In den glänzenden Gesichtern der Männer mit den grellroten Jacken sah man den Stolz auf die gelungene Aktion. Der widerliche Geruch nach nassem Mauerwerk und verkohlten Balken stand in der Luft, aber der Schaden schien nicht
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