Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachricht von dir

Nachricht von dir

Titel: Nachricht von dir
Autoren: Guillaume Musso
Vom Netzwerk:
wurde.
    Dann duschte sie kurz, verließ fröstelnd das Badezimmer und nahm ein Fleeceshirt, eine Jeans und einen dicken Shetland-Pullover aus dem Schrank. Bevor sie aufbrach, aß sie einen Schokoriegel, schlüpfte in ihre Lederjacke und band den wärmsten Schal um.
    Es war kurz vor acht Uhr, als sie sich auf den Sattel ihres kanariengelben Motorrads schwang. Ihr Geschäft lag zwar in der Nähe, doch sie wollte nicht noch einmal zu Hause vorbeigehen, bevor sie sich abends mit Raphael traf. Das Haar im Wind flatternd, fuhr sie die gut hundert Meter durch die kleine Straße, die sie so sehr liebte. Hier hatten Rimbaud und Verlaine ihre Gedichte geschrieben, hier hatten sich Aragon und Elsa geliebt, und Godard hatte das Ende seines ersten Films gedreht: Die traurige Szene, in der Jean-Paul Belmondo »außer Atem« von einer Kugel getroffen vor den Augen seiner amerikanischen Verlobten zusammenbricht.
    Madeline bog in den Boulevard Raspail ein und fuhr dann weiter in die Rue Delambre bis zum Jardin Extraordinaire , jenem Geschäft, das sie vor zwei Jahren eröffnet hatte und das ihr ganzer Stolz war.
    Mit Besorgnis zog sie die Eisenjalousie hoch – so lange war sie noch nie fort gewesen. Während ihrer Ferien in New York hatte sie ihrem japanischen Lehrling Takumi, der seine Ausbildung an der Fleuristen-Schule von Paris beendete, die Leitung des Geschäfts anvertraut.
    Als sie eintrat, stieß sie erleichtert einen Seufzer aus. Takumi hatte sich genau an ihre Anweisungen gehalten. Der junge Japaner hatte am Vortag in Rungis eingekauft, und der Raum war voller frischer Blumen: Orchideen, weiße Tulpen, Lilien, Weihnachtssterne, Christrosen, Ranunkeln, Mimosen, Osterglocken, Veilchen, Amaryllis. Der große Weihnachtsbaum, den sie gemeinsam geschmückt hatten, blinkte, und von der Decke hingen Mistel- und Ilexzweige.
    Madeline hatte ihren Blumenladen zu einem magischen, poetischen Ort gemacht, eine andere Welt, ein Hafen des Friedens, geeignet zum Träumen, der, weit von Tumult und Hektik der Stadt entfernt, Sicherheit bot. Was auch immer der Tag an Kummer bringen mochte, sie wollte, dass ihre Kunden ihre Sorgen draußen vor der Tür ließen. Um die Weihnachtszeit war ihr Jardin Extraordinaire mit seinen Düften, die an Kindheit und alte Traditionen erinnerten, besonders betörend.
    Sobald sie die ersten notwendigen Handgriffe verrichtet hatte, reihte Madeline die kleineren Tannenbäume vor der Fassade auf und öffnete um Punkt neun Uhr das Geschäft.
    Als sie ihren ersten Kunden eintreten sah, lächelte sie – ein altes Sprichwort besagte, wenn es ein Mann war, würde der Tag gut werden. Doch angesichts seines Anliegens verfinsterte sich ihre Miene: Er wollte seiner Frau einen Blumenstrauß schicken, ohne einen Absender anzugeben. Diese List war bei eifersüchtigen Ehemännern in Mode: Sie warteten die Reaktion ihrer Frau auf solch eine anonyme Blumenzustellung ab. Erzählte ihnen diese nichts von dem Strauß, schlossen sie daraus, dass sie einen Liebhaber hatte. Der Mann bezahlte seinen Auftrag und verließ das Geschäft, ohne sich für die Komposition zu interessieren. Madeline machte sich also allein an die Zusammenstellung des Bouquets, das Takumi nach zehn Uhr in eine Bank in der Rue Boulard liefern würde, als plötzlich die Melodie von Jumpin’ Jack Flash ertönte. Der bekannte Titel der Rolling Stones drang aus ihrer Handtasche, in der sich das Smartphone von diesem Jonathan befand. Sie zögerte, das Gespräch anzunehmen, doch ehe sie sich entschieden hatte, brach die Musik ab. Nach kurzer Stille kündigte ein dumpfer Ton an, dass der Anrufer eine Nachricht hinterlassen hatte.
    Madeline zuckte mit den Schultern. Sie würde nicht schon wieder eine Nachricht abhören, die nicht für sie bestimmt war … Sie hatte anderes zu tun! Überhaupt war ihr dieser ungehobelte und unhöfliche Jonathan so egal wie nur was! Und außerdem …
    Von unüberwindlicher Neugier getrieben, berührte sie dann doch den Touchscreen und hielt den Apparat ans Ohr. Eine ernste, zögernde Stimme ertönte: Eine Amerikanerin mit italienischem Akzent, die kaum das Schluchzen zu unterdrücken vermochte.
     
    Jonathan, ich bin ’ s, Francesca. Ruf mich bitte an. Wir müssen miteinander reden, wir müssen … Ich weiß, dass ich dich betrogen habe und dass du nicht verstehen kannst, warum ich alles zerstört habe. Komm zurück, bitte, tu es für Charly und für uns. Ich liebe dich … Du wirst es nie vergessen, aber du wirst mir verzeihen. Wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher