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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)
Autoren: Christopher Kloeble
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gefunden.«
    »Ja.«
    Albert verdrehte die Augen. »Und wo?«
    Diesmal leckte sich Fred die Lippen wie ein Kandidat in einer Quizshow, der die Lösung kennt, und noch bevor er sprach, wusste Albert, was er antworten würde.
    »Da, wo das Gold herkommt!«
    »Ach
da
«, sagte Albert ironisch und setzte das Glas so heftig ab, dass ihn der Schlag selbst überraschte. »Frederick, hör zu, für mich ist das sehr wichtig. Ich muss das unbedingt wissen.«
    »Es ist gefährlich.«
    »Was ist gefährlich?«
    »Alles!«
    Albert überlegte. »Und was, wenn wir aufeinander aufpassen? Ich achte auf dich und du auf mich. Das wäre doch besser, oder? Das wäre doch weniger gefährlich?«
    Fred betrachtete das Gold nachdenklich.
    »Wir zwei auf Goldsuche«, sagte Albert, der nun seine Chance witterte. »Das wäre doch was.«
    »Es ist gefährlich«, wiederholte Fred leise.
    »Wären wir denn lang unterwegs?«, fragte Albert.
    Fred wackelte mit dem Kopf. »Es ist tief.«
    »Was soll das heißen?«
    »Es ist weit unten.«
    »Das hab ich schon kapiert.«
    »Warum fragst du dann?«
    »Weil   … vergiss es«, sagte Albert frustriert. Sein Blick fiel auf die Kratzer
HA
im Küchenfenster, und er unterdrückte das Bedürfnis, etwas danach zu werfen. Der Versuch, eine Unterhaltung mit Fred zu führen, die tatsächlich auf ein Ergebnis hinauslief, war die schlimmste ihm bekannte Sisyphusarbeit.
    Er wollte eben die Küche verlassen, um irgendwo heimlich eine Zigarette zu rauchen, da meinte Fred: »Du musst dich aber gut anziehen.«
    Albert blieb stehen. »Soll das jetzt heißen, du zeigst es mir doch?«
    »Es wird patschnass«, mahnte Fred. »Von unten
und
oben!«
    Vor Erleichterung hätte Albert Fred beinahe in den Arm genommen, hielt sich dann aber zurück, als er ihn ansah. In Freds Miene las er wie immer kindlichen, wichtigtuerischen Ernst, doch wenn Albert sich nicht irrte, erkannte er dahinter eine ehrlich empfundene Sorge, die er so beunruhigend fand, dass er schnell wegsah und sagte: »Gehen wir.«

TEIL II
     

Geschwister, 1912   –   1924
     
     
     

Das Opferfest
     
    In einer Augustnacht im Hochsommer 1912 wurde das dreihundertsechsundachtzigste Opferfest von Segendorf gefeiert.
    Dreihundertsiebenundachtzig Jahre zuvor hatte am höchsten Punkt desselben Hügels ein Mönch Rast gemacht, der seines Klosters verwiesen worden war. Im Schatten einer kleinen Gruppe Fichten döste er ein. Gott erschien dem Mönch im Schlaf und verlangte von ihm, er solle beweisen, wie treu er seinem Schöpfer ergeben sei, indem er seinen Liebsten Besitz opfere. Ihn erwarte eine fürstliche Belohnung. Also begab sich der verzweifelte, in diesen dünn besiedelten Teil der Voralpenregion verstoßene Mönch nach dem Erwachen zu einer Felsklippe am südlichen Ende des Hügels, holte einen Bronzekelch hervor, den er, sozusagen als Ausgleich für seine Verbannung, seinem ehemaligen Kloster entwendet hatte, und ließ ihn, nach kurzem Zögern, in die Tiefe fallen. Wartete. Auf ein Zeichen. Wartete. Und zweifelte. Dann endlich hallte ein zierliches, klingendes
Pling
über die Felsklippe. Es hätte ein
Plong
sein müssen, Bronze auf Stein, eindeutig ein
Plong
, aber gleich darauf folgte ein
Pling-Pling
. Es rief nach ihm,
Pling-Pling
, es rief: Komm und sieh nach mir! Komm herunter! Komm zu mir! Und der Mönch folgte dem Ruf.
    Glänzendes Metall zog sich wie eine gezackte Narbe durch das Gestein. Der Mönch liebkoste jeden Zentimeter davon, als küsste er den Fischerring des Heiligen Vaters. Die frisch entdeckte Goldader erleichterte seinen Aufstieg vom mittellosen Landstreicher zum Bischof erheblich. Er weihte den Ort und gab ihm den Namen Segenhügel, aus dem im Zuge der Ausbeutung der Goldvorkommen bald Segendorf wurde. Bevor sich Segendorf jedoch zu einer belebten Gemeinde entwickeln konnte, verdorrte es schon wieder. Zum einen versiegte die Goldader nach wenigen Monaten, zum anderen war an dem Schrumpfen der Gemeinde das Land selbst schuld. Es gab dort nur Getreidefelder, übersät von scharlachrotem Klatschmohn, den Moorbach, ein Rinnsal von einem Fluss, der sich um den Segenhügel krümmte, mageres Wild und feindseliges Gras, das einem in die Hand schnitt, versuchte man es abzureißen. Zurück blieben die Alten, Kranken, Dummen. Und die Tradition. Anfangs hatte man jeden Sommer die Entdeckung der Goldader gefeiert, indem alle Segendorfer ihren Liebsten Besitz über den Rand der Steinklippe schleuderten. Da sich jedoch zu viele Tierkadaver am Fuß
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