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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
Autoren: Margot Kaessmann
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überreichte den beiden zwei Figuren einer Maria und eines lädierten Jesus …“ 95
    Da legt einer den Finger in die Wunde: Reden wir als Christinnen und Christen nur von Fremden, die zu schützen sind, von Armut, die es zu bekämpfen gilt, oder tun wir all das? Ist unsere Gesellschaft eine, die das Recht der Armen anerkennt, sich um die ohne Obdach sorgt, oder sehen wir sie als Belastung?
    Es kann doch nicht angehen, die Eliten, die mühsam in den Ländern des Südens ausgebildet wurden, abzuwerben, und gleichzeitig alle anderen auszuschließen, die in Not sind. Das wäre oder ist eine neue Form von Rassismus – die Guten holen, die anderen ausgrenzen. Und was ist mit denen, die hier eine Ausbildung bekommen haben?
    Ich denke da an Ali. Sein Vater floh aus Angst vor Verhaftung aus dem Iran nach Berlin, wo sein Bruder lebte. Seine Mutter kam mit ihm hinterher, reiste aber über Griechenland ein. Daher wurde sie aus Deutschland ausgewiesen und lebte mit dem Kind unter erbärmlichen Umständen in Griechenland. Der Vater erhielt einen Fremdenpass, um die beiden dort besuchen zu können. Der Pass ermöglichte ihm, in Berlin einen Taxischein zu machen und zu arbeiten. Um dem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen, holte er ihn nach Berlin. Dadurch verlor er aber den Fremdenpass und die Arbeitserlaubnis. Ich habe erlebt, wie diese Familie weinend über Skype kommuniziert hat. Und ich war erneut nicht stolz auf mein Land. Das war ich erst wieder, als ein Gerichtsurteil nach zehn (!) Jahren erlaubte, dass Alis Mutter nach Deutschland einreisen durfte, und sie alle gemeinsam eine Aufenthaltserlaubnis erhielten. Alis Vater sagte mir, er und seine Frau hätten zehn Jahre ihres Lebens, ihrer Ehe, Zeit für den Aufbau einer Existenz verloren. Und Ali darf nun zum Glück bleiben. Zum Glück für ihn, aber auch zum Glück für unser Land. Er spricht fließend Farsi, Deutsch, Griechisch und Englisch. Eine Fachkraft, die niemand aus dem Ausland anwerben muss, weil sie längst da ist. Gott sei Dank gehen einige wenige Flüchtlingsgeschichten auch heute noch gut aus für uns in unserem Land. Das ist unser Land, und Ali und seine Eltern sind Bürger hier wie du und ich! Das ist keine Sozialromantik, sondern Fakt.
    Religiöse Vielfalt
    Flüchtlinge sind die eine Herausforderung, das Zusammenleben mit Menschen muslimischen Glaubens die andere. Ich finde den Streit darüber, ob nun der Islam zu Deutschland gehört, wie es der ehemalige Bundespräsident Wulff gesagt hat, oder ob nur die Muslime zu Deutschland gehören, wie es Bundespräsident Gauck umformuliert hat, merkwürdig. Mir ist schon klar, was gesagt werden soll: Der Islam hat die deutsche Kultur nicht geprägt, aber er ist dabei, es zu tun.
    Ich bin froh, in einem Land zu leben, das die Religionsfreiheit achtet und auch die Freiheit, ohne Religion zu leben. Als Christin weiß ich, in wie vielen Ländern der Erde Christen verfolgt werden. Und natürlich wünsche ich mir von Muslimen, dass sie in Nigeria, Indonesien oder der Türkei für die Religionsfreiheit von Christen eintreten! Aber ich kann einen Muslim, der hier in unserem Land lebt, ebenso wenig für Glaubensbrüder in Nigeria verantwortlich machen, wie ich als Christin verantwortlich sein will für den Rassismus in den USA, der die Trauung eines schwarzen Paares in einer „weißen“ Kirche verbietet. 96
    Wir haben bei vielen Dingen zu lange damit gewartet, miteinander zu reden, denke ich. Aber manches gelingt auch und macht Hoffnung: Nach einem Vortrag über christliche Werte kam der Imam des Ortes zu mir und sagte: „Das sind doch Werte, die wir teilen!“ Bei der Augsburger Friedenstafel am 8. August 2012 wurde deutlich: Hier leben Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur, Religion zusammen und sind stolz auf die Geschichte ihrer Stadt, die für ein friedliches Zusammenleben eintritt.
    Und ein Taxifahrer in Berlin sagte kürzlich: „Frau Käßmann, ich bin ein Kollege von Ihnen!“
    „Was machen Sie denn?“, erkundigte ich mich.
    „Ich bin Imam in Wedding“, erklärte er.
    Wir haben gelacht und uns dann aber ernst unterhalten – über seine Sorgen mit Blick auf Jugendliche ohne Halt und Perspektive. Die Frage war: Was können wir gemeinsam tun?
    Recht
    Das Zusammenleben der Religionen in unserem Land kann vielfältig aussehen. Für alle Religionen aber gilt: Sie werden auf der Grundlage des geltenden Rechts ausgeübt. Regelungen der Scharia haben keinen Platz im deutschen Recht. Der vor fünf Jahren vom
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