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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss
Autoren: Virginia Kantra
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Augenbraue. »Gebraucht?«
    »Von deinem Vater«, sagte Margred sanft.
    »O Jesus«, erwiderte Caleb. »Das wird ein schwerer Schlag für ihn.«
    »Es wird ihn glatt umhauen«, bestätigte Dylan.
    Lucy biss sich auf die Lippen. Ihr fiel ein, welches Gesicht ihr Vater gemacht hatte, als er im Flur auf dem Boden kniete –
»Was zur Hölle haben Sie mit ihr gemacht?«
– und die Kornpuppe in den Armen wiegte. Ihr Herz weinte um ihn. Um Conn. Um sie selbst.
    Was zur Hölle hatte sie getan?
    Caleb rieb sich erneut den Nacken. »Vielleicht auch nicht. Er war wieder bei den Anonymen Alkoholikern. Und das letzte Mal, als ich nachgesehen habe, hat Lucy – die andere – noch geatmet.«
    »Ja, aber Magie kann sie nicht endlos lange am Leben erhalten«, wandte Dylan ein.
    Margred sah sie beide mit dunkeläugigem Tadel an. »Es gibt eine andere Art von Magie, die das vielleicht kann.«
    »Welche Magie?«, wollte Dylan wissen.
    Regina stieß ihm den Ellbogen in die Rippen.
    Lucy legte die Arme um sich selbst. »Liebe«, sagte sie ruhig. »Liebe könnte sie retten.«
    In der darauf eintretenden Stille fiel plötzlich ein Leuchter um und zersprang klirrend auf dem Boden.
    Das Fenster klapperte.
    Regina presste eine Hand auf ihren Bauch. »Was war das?«
    Irgendwo auf der Straße heulte – gedämpft von der Entfernung und dem Schnee – die Alarmanlage eines Autos auf.
    »Es hat sich wie eine Bombe angefühlt«, meinte Caleb.
    Lucy drehte es fast den Magen vor Grauen um.
    »Oder wie ein Erdbeben«, schlug Margred vor.
    »Ein Erdbeben?«, schnaubte Regina. »In Maine?«
    »Es wäre nicht das erste Mal.« Das kam von Dylan.
    Caleb nickte. »1926.«
    All die kleinen Härchen in Lucys Nacken und auf ihren Armen stellten sich auf. »Wovon redet ihr?«
    »Der letzte dokumentierte Tsunami auf Mount Desert Island wurde 1926 von einem Erdbeben ausgelöst«, erläuterte Caleb wie aus der Pistole geschossen.
    Regina lachte. »Jungs und ihre Sachbücher.«
    Doch niemand sonst lachte. Als sie Dylan und Margred ansah, entdeckte Lucy denselben instinktiven Gedanken in ihren Augen.
    Etwas an Calebs Worten, etwas an Dylans Gesicht weckte eine Erinnerung in ihr. An Griff, der mit ernster Miene auf der Suche nach Conn in den Burghof gelaufen kam … Was hatte er gesagt?
»Ronat hat im Nordwesten einen neuen Schlot entdeckt.«
    »Von einem Erdbeben«, wiederholte Lucy langsam. »Nicht vom Ausbruch eines untermeerischen Schlots? Oder eines Vulkans?«
    Als Antwort auf ihre Frage oder aber auch auf ihre Stimme verengte Caleb die Augen. »Was würde das ändern?«
    »Vielleicht nichts«, antwortete Lucy.
    Das war es, was sie fürchtete. Vielleicht änderte es gar nichts.
    Das alarmierende, periodische Tuten der Autohupe riss einfach nicht ab.
    Vor ihrem geistigen Auge erstand wieder die glühende Feuerlinie in den Höhlen unter Caer Subai.
    Ihre Lippen fühlten sich taub an. Steif. »Was würde passieren, wenn es ein Erdbeben gäbe?«, wollte sie wissen. »Hier auf World’s End?«
    Caleb runzelte die Stirn. »Nicht viel. Ein paar Gebäude würden beschädigt werden. Die meisten Gebäude hier sind ein- oder zweistöckige Einfamilienhäuser. Vielleicht würde durch geplatzte Leitungen oder offene Kamine Feuer ausbrechen.«
    »Feuer?«, echote Margred.
    »Die Insel steht unter Schutzzaubern«, gab Dylan zu bedenken.
    »Nun, eine größere Gefahr wäre ein Seebeben«, fuhr Caleb fort. »Abhängig von Stärke, Entfernung und Gezeitenstand hätten wir dann mit beträchtlichen Überflutungen zu rechnen.«
    Lucy zitterte. Sie hatte immer vom Meer geträumt. Vom Meer und davon, darin zu ertrinken. In ihren Träumen kamen die Ozeane, um sie zu holen, als hungrige Wasserwand, die alles fortspülte, alles zerstörte, jeden umbrachte, den sie liebte.
    Sie hob den Kopf und sah ihre Familie an.
    »Dann weiß ich, woher Gau kommen wird«, erklärte sie ruhig. »Ich weiß, wie er zuschlagen wird. Die Dämonen haben dieses Erdbeben verursacht. Und wenn wir sie nicht aufhalten, werden sie World’s End fluten.«
     
    Lucy ließ Caleb nicht aus den Augen, während er den Funkruf beendete. Nicht, weil sie erwartete, dass sich nichts von ihren Ankündigungen bestätigen würde. Das Gegenteil war der Fall.
    »Das war der County-Sheriff.« Die Stimme ihres Bruders klang grimmig. Das letzte Mal, als sie ihn in diesem Ton hatte sprechen hören, war Maggie verschwunden gewesen. »Der Geologische Dienst verzeichnet ein Erdbeben der Stärke 6,2 südlich der Fundybay. Beschädigte
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