Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
etwas in einem blauen Parka zu sagen, ich muss etwas lachen. Ich bin einfach nur froh, zu Hause zu sein.
    «Ist alles in Ordnung?», flüstert er. «Was ist bei euch passiert?»
    Ich frage ihn, was er meint, und er sagt die Polizei. Er habe vorhin die Polizei bei uns gesehen. Mein Herz macht einen Satz, wie wenn ein Fisch aus dem Wasser springt. Ich habe Angst, dass Ma etwas passiert ist. Als ich im Zug eingeschlafen bin, habe ich geträumt, eine Schlange hätte sie gebissen. Und dann fing ich an, mir Sorgen wegen der E-Mail zu machen, die ich ihr von Helene geschickt hatte. Was, wenn Ma wirklich daran glaubte? Würde sie versuchen, meiner Schwester zu folgen, auch wenn sie dafür etwas Schreckliches tun müsste?
    «Nun sag schon, was ist passiert?», fragt Kevin noch einmal.
    «Ach nix», sage ich. «Falscher Alarm.»
    «Der Hund», sage ich. «Wir dachten, jemand hätte ihn vergiftet, aber er ist schon wieder fit. Er hatte nur Schokolade gefressen.»
    Kevin nickt und zieht sich den Parka bis obenhin zu. Ich bin nicht sicher, ob er mir glaubt.
    «Können wir ein bisschen in die Gartenlaube gehen?», sage ich. «Ich will nur… Ich würde furchtbar gern da rauf gehen.» Im Mondschein sieht sie aus wie eine Hochzeitstorte. Und wie sie oben auf dem Hügel schimmert, ich kann Ihnen sagen, fast zu schön, um wahr zu sein. «Komm schon», sage ich.
    «Es ist zu kalt», sagt er.
    «Fühl meine Hände», sage ich. Ich ziehe die Handschuhe aus, und er fasst meine Finger an.
    «Sie sind taub», sage ich ihm.
    «Was machst du hier?», fragt er.
    Ich habe keine gute Antwort.
    «Oh, ich habe dir was mitgebracht», sage ich. Ich knie mich auf den Rasen und fange an, in meinem Rucksack zu kramen. Schließlich ziehe ich die Papiertüte heraus. «Ist nicht viel, ich dachte nur, ich weiß auch nicht, es hat mich an … es hat mich irgendwie erinnert.»
Dich
bringe ich nicht über die Lippen.
    «Was sind das für Dinger?», fragt er.
    «Zum Essen», sage ich. «Du kannst sie essen.»
    Auf dem Rückweg im Zug war mir eingefallen, die schwarzen Fische wären das ideale Geschenk für Kevin.
    «Woher hast du die?»
    «So ’ne Art Bonbonmuseum.» Ich sage ihm, das sei eine lange Geschichte.
    Er nickt wieder. Er sagt nicht Danke.
    «Du musst sie ja nicht essen», sage ich. «Wenn du nicht willst. Aber ich verspreche dir, es ist kein Giftanschlag.»
    «O mein Gott», lache ich, «ich erfriere.»
    Kevin dreht sich um und sieht das Haus an. Der Mond macht irgendein Geräusch. Wie ein Grummeln. Vielleicht ist es auch ein Flugzeug oder ein Polizeihubschrauber. Ich mache mir nicht die Mühe, nach oben zu schauen.
    «Kann ich mit raufkommen?», frage ich.
    Danach sagt keiner von uns etwas.
    «Nur zum Aufwärmen», sage ich.
    Kevin ist plötzlich sehr an der Tüte mit den Fischen interessiert. Er nimmt einen raus und steckt ihn in den Mund. «Igitt!», sagt er und spuckt ihn wieder aus.
    «Ich kann ganz leise sein», sage ich. «Wenn es das ist.»
    Kevin spuckt noch einen Fischrest aus. Er wischt sich über den Mund. Ich sehe, wie es in seinem Kopf arbeitet, ob er mich reinlassen soll.
    «Du darfst keinen Mucks machen», sagt er. «Du darfst nicht mal atmen.»
    «Bestimmt nicht.»
    Wir verständigen uns mit Blicken wie ein Sonderkommando, und dann schlüpfen wir rein. Die Treppe nach oben ist mit Plüschteppich ausgelegt, nicht das geringste Knarren. Im Flur kommen wir am Schlafzimmer seiner Eltern vorbei. Die Tür ist nicht ganz zu, und die beiden liegen wie ein Schiffswrack auf dem großen Bett. Mrs Ryder hat ihren Arm über Mr Ryders haarige Brust geworfen. Kevin zerrt an mir, und ich gehe weiter. In seinem Zimmer ist die Aquarienbeleuchtung an, genau wie ich es mir immer vorgestellt habe. «Schließ die Tür ab», sage ich, und er tut es.
    Kevin will eine Lampe anknipsen, aber ich sage, er solle es lassen,das Fischlicht sei genug. Nach einer Weile stellen die Augen sich darauf ein, und das ist jedenfalls eine gute Übung. Für die schwarzen Tage voller Staub und Rauch. Die wir kommen gehört haben. Immerwährende Finsternis nennen sie das. Ich erkenne das A.S.N.F.-Poster an der Wand.
    «Arnold Schwarzenegger ist Normativ Fettleibig», sage ich, und Kevin lacht. Das löst die Spannung. Wir kriegen beide einen Minikicheranfall. Wenn man etwas sagt wie
Arnold Schwarzenegger ist Normativ Fettleibig
, nachdem man über Fischlichter gesprochen hat, nennen sie das einen logischen Fehlschluss, und oft lachen die Leute, obwohl man es nicht komisch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher