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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz
Autoren: Walter M. jr. Miller
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diese Dinge für die Teufel der Hölle bestimmt nicht nötig.
    Zuweilen kam dem Novizen das Englisch vor der Flut verwirrender vor als Angelologie für Fortgeschrittene oder das theologische Regelsystem des heiligen Leslie.
    Er errichtete sein Feuer auf dem Abhang des Schutthaufens, von wo aus die tieferen Ritzen des Vorraums ausgeleuchtet sein würden. Dann fing er an zu erkunden, was immer von den Trümmern nicht verschüttet war. Die oberirdischen Ruinen waren von Generationen von Fledderern bis zu archäologischer Unbestimmbarkeit abgebaut worden. Doch diese unterirdische Ruine war von keiner Hand als der eines namenlosen Unheils berührt worden. Gespenster eines vergangenen Zeitalters schienen hier umzugehen. In einer dunklen Ecke lag zwischen den Felsen ein Schädel, dessen Grinsen noch von einem Goldzahn verschönt wurde. Ein deutliches Zeichen, daß der Bunker nie von Wanderern betreten worden war. Der goldene Schneidezahn blitzte und glänzte im Schein des flackernden Feuers.
    In der Wüste war Bruder Francis oft genug in der Nähe ausgetrockneter Flußbetten auf sauber abgenagte Häufchen menschlicher Knochen gestoßen, die in der Sonne bleichten. Er war nicht besonders zimperlich, und man war ja auf derlei gefaßt. So war er nicht betroffen, als er den Schädel in der Ecke des Vorraums entdeckte. Aber das blitzende Gold seines Grinsens zog immer wieder seinen Blick auf sich, während er an den Türen (versperrt oder verklemmt) eines zerschmetterten Stahlschreibtisches zerrte. Der Schreibtisch könnte sich als unschätzbarer Fund erweisen, im Falle, daß er Schriftstücke oder einige kleine Bücher enthielt, die die wütenden Feuerbrände des Zeitalters der Großen Vereinfachung überlebt hatten. Während er weiter versuchte, die Schubläden zu öffnen, brannte das Feuer nieder. Er bildete sich ein, daß der Schädel anfing, einen eigenen schwachen Schimmer auszustrahlen. Solch eine Erscheinung war nicht eigentlich ungewöhnlich, nur empfand sie Bruder Francis hier in der düsteren Halle als irgendwie höchst beunruhigend. Er sammelte mehr Holz für das Feuer und wandte sich wieder dem Schreibtisch zu, um an ihm zu stoßen und zu zerren. Er versuchte, dem glitzernden Grinsen des Schädels den Rücken zuzukehren. Obwohl er wegen lauernder Niederschläge noch immer ein bißchen besorgt war, hatte sich Francis genügend von seinem anfänglichen Schrecken erholt, um klar zu erkennen, daß der Bunker, vor allem die Schränke und der Schreibtisch, sehr wohl vor Überbleibseln eines Zeitalters strotzen mochten, das die Welt zum größten Teil willentlich hatte vergessen wollen.
    Die Göttliche Vorsehung hatte sich als segensreich erwiesen. In diesen Tagen hielt man es für einen seltenen Glückstreffer, eine Spur der Vergangenheit zu entdecken, die weder von Feuerbränden noch von Plünderern zerstört worden war. Aber so etwas war immer mit Gefahr verbunden. Man wußte von mönchischen Ausgräbern, die erpicht auf alte Schätze aus Erdlöchern im Triumph wieder aufgetaucht waren, in der Hand einen merkwürdig zylindrischen Gegenstand – und dann hatten sie beim Reinigen oder auf der Suche nach dem Zweck des Gegenstandes einen falschen Handgriff getan, am falschen Knopf gedreht und so den Fall ohne Gewinn für die Geistlichkeit zu einem Ende gebracht. Erst vor achtzig Jahren hatte der ehrwürdige Boedullus dem Abt mit offenkundigem Entzücken geschrieben, daß seine kleine Expedition die Reste einer - so seine Worte – »Interkontinentalen Raketenabschußstellung« nebst einigen aufregenden unterirdischen »Lagertanks« freigelegt hätte. Niemand erfuhr in der Abtei je, was der ehrwürdige Boedullus mit »Interkontinentaler Raketenabschußstellung« gemeint hatte. Aber der Abt, der damals das Kloster leitete, hatte in einem Erlaß streng festgesetzt, unter Androhung der Exkommunikation, daß fürderhin die Altertumsforscher derartige »Stellungen« meiden sollten. Denn der Brief an den Abt war das letzte, was man von dem ehrwürdigen Boedullus, seinem Trupp, seinem Ort der »Abschußstellung« und von dem kleinen Dorf, das an jenem Ort entstanden war, je gesehen hatte. Wo das Dorf einst gewesen war, schmückte nun ein reizender See die Gegend, dank einiger Hirten, die den Lauf eines Baches umgeleitet hatten und ihn in den Krater fließen ließen, um in Zeiten der Trockenheit Wasser für ihre Herden zu haben. Ein Reisender, der vor zehn Jahren aus jener Gegend gekommen war, hatte vom außergewöhnlichen
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