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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden
Autoren: Lew Tolstoi
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Unglück hat, an eine Frau gebunden zu sein, so ist man gefesselt wie ein Sträfling. Alles, was du an Kraft und Strebsamkeit in dir fühlst, kann nur die Last der Reue vermehren. Das Salongeschwätz, die Bälle, die Eitelkeit und Kleinigkeit, das ist der mächtige Zirkel, der dich einschließt. Jetzt gehe ich in den Krieg, einen der furchtbarsten Kriege, welche jemals die Welt erlebt hat, und weiß nichts, bin zu nichts fähig, dafür aber bin ich sehr liebenswürdig, sehr sarkastisch und bei Fräulein Scherer hört man mich an. Und dann diese alberne Gesellschaft, welche meine Frau nicht entbehren kann!... Wenn du nur wüßtest, was sie wert sind, alle diese vornehmen Damen, und alle Frauen überhaupt! Mein Vater hat recht, Egoismus, Eitelkeit, Dummheit, Mittelmäßigkeit in allem, das sind die Frauen, wenn sie sich zeigen, wie sie sind. Wenn man sie in der Welt sieht, könnte man glauben, es sei etwas anderes in ihnen. Aber nein, es ist nichts, nichts! Ja, mein Freund, ich sage dir, heirate nicht!...«
    »Ich bin erstaunt«., sagte Peter, »daß Sie sich für unfähig halten und glauben können, Ihr Leben verfehlt zu haben, während die Zukunft vor Ihnen liegt, und...« In dem Ton, in dem er diese Worte sprach, konnte man die hohe Achtung vernehmen, die er für seinen Freund hegte.
    »Mit mir ist's zu Ende, sprechen wir nicht mehr von mir, sondern von dir«, begann der Fürst nach kurzem Schweigen lächelnd wieder. Peters Gesicht strahlte sogleich diese Veränderung in der Miene seines Freundes wider. »Von mir?« wiederholte er mit einem heiteren, unbefangenen Lächeln. »Über mich gibt es nichts zu sagen. Was bin ich überhaupt? Ein Bastard!« Und er errötete plötzlich, denn er hatte dieses Wort mit sichtlicher Anstrengung ausgesprochen. – »Ohne Namen, ohne Vermögen! Und in Wirklichkeit bin ich frei und zufrieden, für den Augenblick wenigstens. Nur gestehe ich, ich weiß nicht, was ich unternehmen soll, und ich wollte Sie ernsthaft darüber um Rat fragen.«
    Fürst Andree betrachtete ihn wohlwollend, aber dieses freundschaftliche Gefühl ließ doch das Bewußtsein seiner Überlegenheit erkennen.
    »Ich bin dir gut, weil du der einzige lebende Mensch in unserm Kreise bist. Du bist zufrieden. Wähle nach deinem Geschmack, gleichviel was, du wirst dich überall wohl befinden. Aber ich bitte dich, gib die Bekanntschaft mit diesem Kuragin und dein jetziges Leben auf! Es paßt für dich so schlecht, diese Ausschweifung, dieses Husarenleben, diese ...«
    »Was wollen Sie, mein Lieber?« sagte Peter, die Achseln zuckend. »Die Frauen, mein Freund, die Frauen.«
    »Nun ja«, erwiderte Andree, »die Frauen comme il faut – meinetwegen, aber nicht diese von Kuragin und den Wein – das kann ich nicht gutheißen.«
    Peter wohnte bei dem Fürsten Wassil Kuragin und teilte das leichtsinnige Leben seines Sohnes Anatol, desselben, den man an die Schwester des Fürsten Andree verheiraten wollte, um ihn zu bessern.
    »Wissen Sie«, sagte Peter, als ob ihm plötzlich ein glücklicher Gedanke gekommen wäre, »ich habe seit langer Zeit das auch gedacht. Bei dieser Lebensweise kann ich mich zu nichts entschließen und an nichts denken. Ich habe Kopfschmerzen und kein Geld. Er hat mich zu heute abend wieder eingeladen, aber ich werde nicht hingehen!«
    »Gib mir dein Ehrenwort, daß du nicht hingehen wirst!«
    »Gewiß, ich gebe es Ihnen!«

9
    Es war ein Uhr vorüber, als Peter seinen Freund verließ. Es war eine Juninacht, eine jener Petersburger Nächte fast ohne Dämmerung. Er stieg in eine Droschke, mit der Absicht, nach Hause zu fahren, aber während der Fahrt erschien es ihm immer unmöglicher, während einer solchen Nacht zu schlafen. Sein Blick schweifte durch die öde Straße. Dann dachte er daran, daß die gewöhnliche Spielgesellschaft sich jetzt bei Anatol Kuragin versammelte. Nach dem Spiel begann das Trinkgelage und das Ganze endigte mit einem Lieblingsvergnügen Peters.
    »Soll ich nicht hingehen?« fragte er sich und dachte daran, daß er dem Fürsten Andree sein Wort gegeben hatte.
    Aber wie es bei charakterlosen Leuten gewöhnlich ist, erfaßte ihn eine so unüberwindliche Lust, noch einmal dieses leichtsinnige Leben zu genießen, daß er beschloß, zu Anatol zu gehen. Er sagte sich, sein Versprechen habe keinen Wert, weil er Anatol versprochen hatte, zu kommen, ehe er dem Fürsten sein Wort gegeben hatte. Durch seine Wankelmütigkeit wurden oft seine dem Anscheine nach festen Entschlüsse umgestoßen.
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