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Kommissar Morry greift ein Kommissar Morry

Kommissar Morry greift ein Kommissar Morry

Titel: Kommissar Morry greift ein Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Augenblick, Mister Williams, ich komme sofort wieder. Ich habe nämlich in der Diele einen kleinen Koffer stehenlassen . . . aber bitte, sehen Sie sich die Marke schon an und erfreuen Sie sich daran.
    Der alte Sonderling merkte nicht einmal, daß ihn Jack Braddock verließ. Er hatte nur Augen für die seltene Briefmarke, holte aus seiner Schreibtischschublade eine Lupe, legte das wertvolle Stück auf einen großen Bogen Papier und überprüfte die Zacken der Marke.
    Jack war wieder zurückgekehrt. Er stellte den Koffer neben sich und sah dann lächelnd den Hausherrn an:
    „Na, was sagen Sie, mein Guter?! Von dieser Marke gibt es vielleicht zehn Exemplare.“
    „Was wollen Sie dafür haben“, stieß erregt der Alte mit dem Geierkopf aus, „ich muß sie haben . . . auf jeden Fall!“
    Unbemerkt hatte in dieser Zeit Jack Braddock den viereckigen Koffer geöffnet, kramte einige Sekunden darin herum und holte eine Flasche Wein heraus. Den Koffer ließ er geöffnet.
    „Ich bin es gewöhnt“, sagte er dann mit einem verbindlichen Lächeln, „vor jedem Geschäft ein Glas Wein zu trinken . . . darf ich Sie einladen?“ Als der Alte abwehrte, fuhr Jack mit beschwörender Stimme fort: „Überlegen Sie es sich, Mister Williams, die Flasche hat bestimmt hundert Jahre auf dem Buckel ... sie ist fast so wertvoll wie die Briefmarke, die Sie betrachten.“
    Mister Williams wurde aufmerksam. Er war ein Weinkenner und neugierig geworden durch die Worte des seltsamen Gastes, überprüfte er das Etikett. „Donnerwetter“, entfuhr es ihm, „Sie haben recht, der Wein ist mindestens hundert Jahre alt . . . und den wollen Sie hier mit mir trinken? Das kann ich doch nicht annehmen.“
    Aus dem Angstgefühl heraus, daß Mister Braddock es sich vielleicht anders überlegen würde, rief er hastig Mia zu:
    „Bring doch bitte den Korkenzieher, mein Kind!“
    Nur zu gern tat es Mia Yellow. Als sie die Flasche öffnen wollte, erhob sich hastig Jack Braddock, nahm sie ihr mit einem entschuldigenden Lächeln aus der Hand und sagte:
    „Bitte nicht, meine Dame, das ist nämlich eine heilige Handlung. Auf keinen Fall darf der Korken verletzt werden . . .“
    In diesem Moment fing der alte Sonderling einen Blick seiner Haushälterin auf. Warum sah Mia diesen Mister Braddock so zärtlich an? Zugegeben, er sah gut aus, aber das war noch immer kein Grund, sich in ihn sofort zu vergaffen. Verärgert darüber, knurrte er: „Ich brauche dich heute Abend nicht mehr, Mia, — — du kannst gehen. Brauchst vor Montag nicht zu kommen!“
    Empört wandte sich Mia Yellow ab. Es war ihr peinlich, daß Mister Williams sie in Gegenwart des geliebten Mannes derartig angeherrscht hatte. Viel hätte nicht gefehlt, und sie hätte geweint. Unbewußt blieb sie noch einmal an der Tür stehen und wandte
    ihren Kopf Jack zu. Da sah sie es deutlich, wie er ihr mit der rechten Hand zuwinkte. Diese Geste beruhigte sie.
    „Na ja“, knurrte der Hausherr, „ist doch besser, wenn wir allein sind, nicht wahr? So ein Frauenzimmer stört nur.“
    „Worin Sie nur zu recht haben“, sekundierte ihm Jack und entkorkte behutsam die Flasche. Nachdem er die Gläser gefüllt hatte, rief er tiefatmend aus:
    „Ist das eine Blume, Mister Williams, trinken Sie den Wein andachtsvoll . . . also, auf Ihr Wohl!“
    Eine Tür schlug zu. Die junge Wirtschafterin hatte das Haus verlassen. Jetzt war Jack mit dem alten Mann allein. Immer wieder animierte er ihn zum Trinken, wobei er einige Anekdoten zum besten gab. Jack war ein gewandter Plauderer. Er schaffte es sogar, daß der alte Sonderling von seiner Vergangenheit erzählte und die glücklichen Jahre seiner Ehe schilderte. Jack hatte zu tun, um ein spöttisches Lächeln zu unterdrücken. Er wußte von Mia, daß das alte Ehepaar sich wie Katze und Maus gegenübergestanden hatte, und daß der Sonderling beim Begräbnis seiner Frau nicht einmal eine Träne vergossen hatte. Nun tat er so, als ob seine Frau für ihn das höchste Glück auf Erden bedeutet hätte.
    Während der Unterhaltung ließ der alte Sonderling die Briefmarke nicht aus den Augen. Immer wieder hob er sie behutsam mit der Pinzette empor. Wie ein Trunkener betrachtete er sie.
    „Was wollen Sie dafür haben?“ stieß er schweratmend aus.
    „Kein Geld“, kam es knapp von den Lippen Jack Braddocks. „Geben Sie mir eine gleichwertige dafür, die Sie doppelt haben.“
    Jetzt zögerte der Alte. Wieder warf er dem Besucher einen mißtrauischen Blick zu. Nun ärgerte er sich,
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