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Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Unbekannt
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14 . Jahrhundert. Nirgendwo in der Welt der Karlslegenden ist der Zeithorizont so weit gespannt wie in diesem Lob der exzellenten Ritterlichkeit: Neben die drei christlichen Helden Karl, König Artus und Gottfried von Bouillon treten die antiken Heroen Hektor von Troja, Alexander der Große und Julius Cäsar sowie die alttestamentlichen Lichtgestalten Judas Makkabäus, König David und Josua, der Prophet. Beliebt war es, die illustre Runde in Rathäusern bildlich oder plastisch darzustellen; als große Figurengruppe ist sie heute noch im Hansasaal des historischen Kölner Rathauses zu sehen. Man könnte meinen, wenn man die Neun Guten Helden betrachtet, dass es die Menschen des Mittelalters mit der Wahrheit nicht genau nahmen; schließlich gehören hier erfundene und historische Gestalten gleichermaßen zu den Auserwählten. Aber kaum jemand dürfte das damals problematisch gefunden haben; es war eben nicht so wichtig, geschichtliche Realität und erzählerische Fiktion klar auseinanderzuhalten. Im breiten Strom der Überlieferung floss beides ineinander. An einem kleinen Beispiel veranschaulicht der französische Mediävist Jacques Le Goff die Mentalität jener Zeit: »Die Jakobsleiter, auf der Engel und Menschen einander begegnen, die sie unterschiedslos hinauf- und hinabsteigen, war eine alltägliche Vision.«
    Die Legenden über den weisen und mächtigen Kaiser blieben nicht darauf beschränkt, erbauliche Unterhaltung zu sein, sie entfalteten auch politische Wirkung: Karl der Große wurde zum Fixstern, an dem sich Generationen nachfolgender Herrscher zu orientieren versuchten.
    Einer der Bedeutendsten in dieser Reihe war ein Sachse. Als Otto I . (»der Große«) 936 zum König gekrönt wurde, ließ er sich mit heiligem Öl salben, wie es zuvor bei den Karolingern Brauch war. Ort der Zeremonie war Aachen, womit Otto bewusst an den großen Karl anknüpfte. Auch seine Kaiserkrönung viele Jahre später in Rom stand ganz im Zeichen des mächtigen Vorbilds. Mit Otto ging das Römische Reich endgültig auf die deutsche Seite über. Karl war gleichsam der Pate des Imperiums, dem auch die nachfolgenden Herrscher regelmäßig ihre Reverenz erwiesen. Besonders hervor tat sich dabei Ottos Enkel gleichen Namens.
    Zu Pfingsten des Jahres 1000 reiste Otto III. nach Aachen, um etwas zu tun, was schon den Zeitgenossen nicht ganz geheuer war. Er ließ Karls Grab aufbrechen und fand angeblich den bestens erhaltenen Körper des Kaisers in vollem Ornat. Der Überlieferung zufolge schnitt Otto dem Toten eigenhändig die Nägel und ließ die verweste Nasenspitze durch eine goldene ersetzen. Weiter heißt es, der junge Herrscher habe einen Säbel und eine goldene Schatulle aus dem Grab genommen. Beide Stücke, der sogenannte Karlssäbel und die Stephansbursa, zählten später zu den Reichskleinodien, die bei den Krönungszeremonien feierlich zur Schau gestellt wurden. Heute weiß man, dass die Prunkwaffe aus dem 10 . Jahrhundert stammt, während die Schatulle immerhin in einer karolingischen Werkstatt angefertigt wurde.
    Aber warum hat Otto III. die Totenruhe des großen Franken gestört? Über die Motive lässt sich nur spekulieren, zum Beispiel könnte es darum gegangen sein, Karls Heiligsprechung vorzubereiten. Oder es war alles ziemlich schlicht, wie der Historiker Knut Görich vermutet: »Mit Karl konnte man sich wichtig machen.« Das haben viele versucht. Darunter war auch einer, der selbst zu einer mythischen Figur der Deutschen werden sollte, der Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa.
    Auf Betreiben Barbarossas wurde Karl am 29 . Dezember 11 65 in Aachen heiliggesprochen. In der Begründung werden seine Verdienste um die Verbreitung des Christentums herausgestellt: »Bei der Bekehrung der barbarischen Völker war er ein starker Kämpfer und ein wahrer Apostel.« Es war allerdings nur eine Heiligsprechung zweiter Klasse. Geleitet wurde die Zeremonie von Rainald von Dassel, Kanzler Barbarossas und Erzbischof von Köln. Paschalis III. , der von Barbarossa protegierte Gegenpapst, war mit der Erhöhung des fränkischen Kaisers einverstanden. Aber Papst Alexander III. sagte Nein. Später gestattete Rom die Verehrung Karls als eines Seligen, nahm ihn aber nicht in ihr Martyrologium Romanum auf, das Gesamtverzeichnis der katholischen Heiligen und Seligen.
    Ein halbes Jahrhundert nach Barbarossa begab sich dessen Enkel Friedrich II. nach Aachen, um sich ebenfalls an Karls Aura zu wärmen. Zur Festigung seiner Herrschaft ließ sich der
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