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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Autoren: Richard Gordon
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«Wir müssen ihr Spiel mitspielen, da bleibt uns nichts anderes übrig. Glücklicherweise haben wir ja ein paar Trümpfe in der Hand - Sonnenschein und Mondenlicht, gutes Essen, billige Getränke... Abenteuer, Aufregung, Romantik», fuhr er fort, als bemühte er sich, Worte einer Fremdsprache zu artikulieren. «Unser Ziel muß sein, jede Reise zu einem Erholungsurlaub zu machen. Haben Sie mich verstanden, Kapitän?»
    «Ich werde gewiß mein Bestes tun, die Urlaubsstimmung zu fördern, Sir Angus», sagte Ebbs todernst.
    «Ein jedes unserer Schiffe muß für die Jungen einen Flirt, für die Gesetzteren einen zweiten Honigmond und für die Älteren eine Verjüngungskur bereit haben.»
    «Ich werde mein Bestes tun, Sir», sagte Ebbs schon etwas zweifelvoller.
    «Sie sind nicht verheiratet, nicht wahr?»
    «Ich bin noch Junggeselle, Sir.»
    «Dann möchte ich Ihnen in Erinnerung bringen, daß der Spielraum zwischen den gesellschaftlichen Verpflichtungen eines Kapitäns und ungehörigem Benehmen manchmal gefährlich knapp bemessen sein kann.» McWhirrey faßte ihn scharf ins Auge. «Trinken und Weiber meine ich damit.»
    «Ich versichere Ihnen, Sir», sagte Ebbs hastig, «daß ich äußerst abstinent...»
    «Auf einem Schiff wie diesem, wo die Bar zwölf Stunden täglich geöffnet ist?»
    «Und was Ihr zweites Bedenken betrifft, Sir Angus...» Lächelnd setzte er sich über dieses ungeheuerliche Ansinnen hinweg.
    «Es lohnt sich, Sie daran zu erinnern, daß das Meer bisweilen auf alleinreisende Frauen eine eigentümliche Wirkung ausübt», sagte McWhirrey bedeutsam. «Ähnlich wie Gin.»
    Sie waren vor Ebbs' Kabinentür angekommen. McWhirrey blieb stehen. «Ihnen ist ein Schiff anvertraut, das an die tausend Seelen enthält und fast drei Millionen Pfund kostet. Haben Sie die absolute Gewißheit, es unter allen Umständen führen zu können? Wenn nicht, wäre jetzt die Zeit gekommen, es auszusprechen.»
    «Ich bin dessen vollkommen sicher, Sir!»
    Sir Angus nickte. «Schön. Damit muß ich mich wohl begnügen. Übrigens müssen Sie noch einen Extra-Passagier unterbringen. Einen Burschen namens Broster - Brigadier Broster. Großaktionär unserer Gesellschaft und, nebenbei, ein alter Busenfreund von mir. Äußerst anständiger Kerl. Behandeln Sie ihn genauso wie jeden anderen Reisenden der Passagierliste - mehr erwarte ich nicht.»
    «Broster? Ich will mir den Namen merken, Sir Angus.»
    «Und wie wär's nun mit einem Glas Whisky? Die Nacht ist kalt.»

4

    Als die Passagiere der Charlemagne im eleganten Verkehrsbüro der Pole Star, Cockspur Street, ihre Kabinen gebucht hatten, war ihnen die Reise so aufregend erschienen wie frisch ausgehobenen Rekruten eine künftige Schlacht. Doch die Wochen strichen überraschend schnell dahin, und plötzlich war für sie die Stunde gekommen, da sie mit dem schwachen Appetit aufbruchbereiter Reisender an ihrem Frühstücksbrot knabberten und sich verzweifelt fragten, wo sie zum Teufel die Pässe verlegt hatten und wie sie mit dem Packen fertig werden sollten. Ihr letzter Morgen hatte es verräterisch eilig: nur zu bald klingelte es alarmierend an der Tür, und der Mann mit der Schirmmütze stand ungeduldig im Vorzimmer. Sie sprangen auf die widerspenstigen Koffer hinauf, verabreichten den Kindern einen hastigen kollektiven Abschiedsschmatz, ließen hundert Dinge ungepackt und ungesagt und fuhren von Panik ergriffen zum Bahnhof. Sie versammelten sich in der rauchigen gewölbten Glashalle, starrten entsetzt auf die unwiderruflichen Gefährten der nächsten vier Wochen und warteten heroisch im eisigen Wind, der die Geleise entlang blies, während Gepäck und Kinder eigensinnig in der Menge untertauchten und Träger auf elektrischen Rollwagen sportlich durch sie hindurchrasten wie Panzerwagen durch demoralisierte Fußtruppen. Die Schiffszüge schleiften sie durch die schwefeldampf erfüllten Tunnels und rußgebeizten Mietskasernen des East End und setzten sie in Tilbury ab, wo sie von Beamten in Pferche getrieben und den demütigenden Riten der Abfahrt unterworfen wurden. Endlich durften sie den Wassergraben um das Schiff - die schmierigen Fluten der Themse - unter den verabschiedenden Blicken der Polizei überqueren, wobei sie hoffnungslos ihre Taschen nach den Fahrscheinen durchsuchten, auf Grund deren die Pole Star Line es übernommen hatte, sie nach Australien zu bringen; dies jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, en route keinerlei Verantwortung für ihre Person bei Sturm, Brand,
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