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Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Titel: Inspektor Jury spielt Katz und Maus
Autoren: Martha Grimes
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sei. « Wie bitte? Zufällig?» Sie beugte sich zu Jury hinüber, der schon allein mit ihrem Atem ein Schnapsglas hätte füllen können. «Wo denken Sie hin, Superintendent? Ich bin von Woburn Place nach Eastcheap, nach Shoreditch, zur Blackheath, zur Threadneedle Street, zum Old Curiosity Shop, zum Silbermarkt gedüst und habe die ganze Zeit, mein Bester, eine dreizehnjährige Tierpflegerin gesucht! Herr im Himmel!»
    Gillian bemühte sich, Jury nicht anzusehen. «Ihr Freund –» Sie tat so, als käme sie nicht auf den Namen.
    «Lord Ardry», warf Jury ein.
    «Lord Ardry, ja. Er hat heute morgen mit Carrie gesprochen.» Sie betrachtete ihre gefalteten Hände. «Ich wüßte gern, ob sie ihm das von dem Brief erzählt hat.»
    «Was für ein Brief?» Jury rutschte unruhig in seinem Stuhl hin und her und trank seinen Whisky.
    «Er ist mit der Morgenpost gekommen. Sie hat gesagt, es sei nur so eine Spinnerei von Neahle Meara. Ich habe mich gewundert; Carrie kriegt nie Briefe.»
    «Nie? Bisher hat nie jemand –» Er wandte sich an Regina. «Haben Sie sich nie gefragt, Baronin –»
    «Regina», korrigierte sie ihn heiser und studierte das Fresko vor sich.
    «– was Carrie Fleet für eine Vergangenheit hat?»
    «Um Gottes willen, Wertester, sie hat keine.»
    Jury sah sie traurig an. Sie hatte recht.
    Gillian rannte durch die Verandatür und rief über die Schulter zurück, sie werde Carrie suchen.
    Als Jury aufstand, um ihr zu folgen, kündigte das kleine Hausmädchen das Dinner an.
    «So, mein lieber Sergeant, sollen wir –?»
    Wie die Frage weiterging, hörte Jury nicht mehr.
     
    Gillian stand an der Tür des «Tierasyls» und starrte in die Dunkelheit. Jury stellte sich hinter sie.
    « Hier ist sie nicht», jammerte Gillian. Ihr Gesicht war naß – aber es war schwer zu sagen, ob vom Regen oder weil sie geweint hatte. «Hier ist sie nicht!»
    Jury nahm sie fest in die Arme und legte die Hand auf ihr seidiges Haar. «Dann sucht sie Bingo.»
    «Du verstehst das nicht, du verstehst das nicht, du –» Sie weinte immer heftiger. Jury zog sie enger an sich.
    «Gillian? Was war mit dem Brief? Warum bist du so aufgeregt?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich weiß es nicht. Aber etwas stimmt da nicht. Da stimmt was nicht! Carrie ist immer so diszipliniert –» Sie nahm den Kopf von Jurys Schulter und sah zu ihm auf. «Du kennst sie nicht. In Wirklichkeit mag sie diese alte Hexe –»
    Regina war gemeint.
    «Verzeihung. Ich hab’s nicht so gemeint. Aber wenn wir um acht zu Abend essen, ist Carrie grundsätzlich da !» Sie schluchzte. «Ich weiß … du kennst sie nicht … glaub mir. Eifersucht … irgendwas … wo ist sie bloß?»
    Jury zog sie wieder an sich, sie legte den Kopf an seine Schulter. «Ich werde sie schon finden. Aber jetzt will ich, daß du einen Schnaps trinkst und dich hinlegst. Ich bringe dich ins Bett –»
    Sie schien ihn nicht zu hören. Er schüttelte sie. «Gillian. Laß uns einen Spaziergang durch den Irrgarten machen. Dann bringe ich dich ins Bett und mummele dich ein. In Ordnung?»
    Sie lächelte ein wenig. «In Ordnung. Aber kein Spaziergang. Ich kann einfach nicht mehr.»
    Auf dem Weg von der Laube zum Haus zurück blieb sie immer wieder stehen und sah sich um. Er mußte sie regelrecht ins Haus drängen.
    Als Gillian, benommen von Schnaps und Beruhigungspillen, im Bett war, ging Jury den Korridor entlang, auf der Suche nach Carries Zimmer. Es war nicht schwer zu erkennen: Fotos von Bingo und anderen Tieren – wahrscheinlich die Tiere der Brindles, auf einem der Fotos war die Tochter zu sehen. Waren sie doch befreundet gewesen? War ihnen trotz aller scheinbaren Gleichgültigkeit der Abschied voneinander schwergefallen?
    Jury saß in dem kleinen, weiß gestrichenen Zimmer auf dem schmalen Bett mit der weißen Tagesdecke. Keine Rüschen, keine Bänder, keine Sperenzchen. Das Zimmer war nicht deshalb so schmucklos und klein, weil Regina jeden Pfennig umdrehte. Es gefiel Carrie so.
    Er fand weder einen Brief noch einen Zettel, aber damit hatte er auch nicht gerechnet; sie war zu klug, um etwas Wichtiges herumliegen zu lassen oder in einer Schublade zu verstecken. Er machte den Schrank auf. Ein paar Kleidungsstücke hingen darin – noch ein Pullover, noch ein Kleid wie das, das er schon kannte, eine Jacke. Er ging die Taschen durch. Aus einer zog er ein Foto. Ein Gebäude, bei Nacht aufgenommen, ohne besondere Merkmale, er kannte es nicht.
    Aber kein Brief. Dabei war er sicher, daß die Nachricht
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